Bundesgerichtshof stärkt Gaskunden den Rücken
Karlsruhe/Düsseldorf (dpa) - Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Gaskunden bei Preiserhöhungen den Rücken gestärkt. Gasversorger dürfen die Preise nur dann erhöhen, wenn sie die Verbraucher zuvor in den Verträgen genau und verständlich darüber aufgeklärt haben, entschied das Gericht.
Die Reichweite des Richterspruchs ist jedoch umstritten: Die Verbraucherzentrale NRW, die das Urteil erstritten hat, misst der Entscheidung Bedeutung für Hunderttausende von Kunden bei. Die Branche widerspricht dieser Einschätzung. Die schriftliche Urteilsbegründung soll abgewartet werden.
Konkret haben die Karlsruher Richter Preiserhöhungen des Essener Energiekonzerns RWE aus den Jahren 2003 bis 2005 für unwirksam erklärt. Die Verbraucherzentrale hatte den Konzern für 25 sogenannte Sonderkunden, das sind die meisten der Gaskunden, verklagt. Die Kunden verlangten insgesamt 16 128,63 Euro zurück. Preiserhöhungen zwischen 2003 und 2005 seien wegen der zugrundeliegenden intransparenten Klauseln unwirksam, argumentierten sie.
Die Kläger bekommen nun ihr Geld zurück. „Wir werden das Geld auszahlen, sobald das schriftliche Urteil vorliegt“, sagte ein RWE-Sprecher in Karlsruhe.
RWE habe die Kunden in seinen Vertragsbedingungen nicht umfassend genug über Preissteigerungen aufgeklärt, begründeten die Richter ihr Urteil. Es reiche nicht mehr aus, in seinen Klauseln auf die Gesetze zu verweisen. Verbraucher müssten schon im ausgehandelten Vertrag anhand klarer und verständlicher Erklärungen Preisänderungen absehen können. Der BGH setzte damit verbraucherfreundliche Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Luxemburg um. Die vom BGH verworfenen Preiserhöhungen basierten auf 2006 abgelösten Vertragsbedingungen, den sogenannten AVB Gas.
Die Verbraucherzentrale sieht eine grundsätzliche Bedeutung auch für andere Kunden: Denn das Urteil ließe sich auch auf die seit 2006 geltende Grundversorgungsverordnung Gas (GVV) übertragen. Diese sei in wesentlichen Punkten inhaltsgleich mit der für unwirksam erklärten Regelung, sagte die Sprecherin der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf. Die Energieversorger sollten sich jetzt nicht stur stellen, sondern mit den Verbraucherzentralen Gespräche über eine außergerichtliche Einigung aufnehmen. „Jetzt dürfen nicht Hunderttausende Gaskunden gezwungen werden, vor Gericht zu gehen.“
Ein RWE-Sprecher sagte dagegen, das Urteil gelte zunächst einmal nur für die Kläger und nicht für alle Kunden. Erst das schriftliche Urteil werde darüber aufklären, inwieweit dieses überhaupt übertragbar sei. Die schriftliche Begründung ist erst in einigen Wochen zu erwarten.
Nach Angaben einer BGH-Sprecherin können Kunden nur dann Geld zurückverlangen, wenn sie der Preissteigerung innerhalb von drei Jahren nach Zugang der Abrechnung widersprochen haben.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) kritisierte das Urteil als „unverständlich“. Es werfe den Gasversorgern faktisch vor, dass sie sich an die bisherige Rechtsprechung des Gerichtes gehalten hätten, erklärte der Verband. Zwar müsse die schriftliche Urteilsbegründung abgewartet werden. Es sei aber fraglich, ob das Urteil auch auf aktuell geltende Verträge anwendbar sei.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) erklärte, dass die Unwirksamkeit der streitigen Gaspreisänderungsklausel bereits nach dem EuGH-Urteil absehbar gewesen sei. Deshalb sei das Urteil des BGH keine Überraschung. Der Entscheidung zugrundeliegende Klauseln würden in Verträgen seit längerem nicht mehr verwendet. Auf aktuell geltende gesetzliche und vertragliche Preisänderungsklauseln hat das Urteil aus VKU-Sicht keine Auswirkungen.
Energie gehört zu den Grundbedürfnissen. Daher bekommt jeder Haushalt mit Gasanschluss von seinem Versorger automatisch Gas und am Jahresende eine Abrechnung darüber. Das ist die sogenannte Grundversorgung. Wer aktiv auf seinen Versorger zugeht und beispielsweise einen günstigeren Tarif aushandelt oder den Versorger wechselt, bekommt einen Sonderkundenvertrag. Um diesen Kundenkreis geht bei dem Urteil.
Der BGH hatte den Fall schon einmal auf den Tisch. Er legte das Verfahren jedoch dem EuGH vor, um abzuklären, inwieweit europäisches Recht auch für die umstrittenen Klauseln gilt. Nach Angaben des BGH-Anwalts der Verbraucherzentrale prüft der EuGH derzeit, ob die seit 2006 geltende Nachfolgeregelungen intransparent ist.