Kaeser will Wogen bei Siemens glätten
München (dpa) - Der neue Siemens-Chef Joe Kaeser will das ramponierte Ansehen des Elektrokonzerns rasch aufpolieren. Der Aufsichtsrat ernannte Kaeser zum Nachfolger des gescheiterten Vorstandschefs Peter Löscher, der über eine Serie von Rückschlägen und zuletzt über eine neuerliche Gewinnwarnung gestürzt war.
Löscher wollte sein Amt mit Tagesablauf niederlegen. Er scheide „in gegenseitigem Einvernehmen“ aus dem Vorstand aus, erklärte Siemens. Kaeser hat nun vor allem ein Ziel: Nach den stürmischen Ereignissen der vergangenen Tage will er die Wogen bei Siemens wieder glätten.
Dabei muss Kaeser die vielen Probleme bei Siemens nun sehr rasch in den Griff bekommen. Nach seiner Berufung zum neuen Chef erklärte er: „Unser Unternehmen ist bestimmt nicht in einer Krise und auch kein Sanierungsfall. Wir haben uns zuletzt aber zu viel mit uns selbst beschäftigt und etwas an Ertragsdynamik gegenüber dem Wettbewerb verloren.“ Sein erklärtes Ziel sei nun, Siemens in ruhiges Fahrwasser zurückzuführen „und ein Hochleistungsteam zu formen“.
Bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz warb Kaeser vor allem um das Vertrauen der Mitarbeiter. „Es ist keine unternehmerische Leistung, möglichst viele Arbeitsplätze zu vernichten“, erklärte Kaeser. „Mensch und Marge“ müssten gleichermaßen im Blick behalten werden. „Was davor und danach kommt, ist nicht so wichtig“, sagte Kaeser.
Löscher bedankte sich nach seinem erzwungenen Abschied in einer persönlichen Erklärung bei seinen Unterstützern. Er schließe darin neben der Familie Siemens die Mitglieder des Aufsichtsrats ein, die ihn nicht nur seit Amtsantritt, „sondern gerade auch in den vergangenen Monaten ausdrücklich unterstützt haben und sich in mehreren Gesprächen mit mir meinen Verbleib an der Spitze des Unternehmens gewünscht haben“, schrieb der Manager. Er sei aber zu dem Schluss gekommen, dass eine vertrauensvolle Basis für seine Arbeit „nicht mehr gegeben sei.“
Der Führungswechsel galt als ausgemachte Sache, nachdem sich die Aufsichtsräte von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite bereits am vergangenen Wochenende mehrheitlich auf die Personalien verständigt hatten. Löscher hatte immer wieder mit Pannen zu kämpfen wie die verspätete Lieferung von ICE-Zügen an die Deutsche Bahn und Verzögerungen bei der Anbindung von Windparks auf See. Massiv unter Druck geriet der 55-jährige Österreicher am vergangenen Donnerstag durch die zweite Gewinnwarnung in nicht einmal drei Monaten.
Auch im dritten Geschäftsquartal lief es für Siemens nur durchwachsen. Zwar zogen die Bestellungen zwischen April und Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum kräftig an, Umsatz und operativer Gewinn gingen dagegen zurück. Weil Siemens vor kurzem seinen Anteil am ungeliebten Tochterunternehmen Nokia Siemens Networks (NSN) losschlagen konnte und die nun selbstständige ehemalige Licht-Tochter Osram etwas Geld abwarf, gab es unter dem Strich ein Gewinnplus von 43 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro, wie Siemens mitteilte.
Die Arbeitnehmerbank im Siemens-Aufsichtsrat forderte von Kaeser ein Bekenntnis zur Mitbestimmung. „Beschäftigte, Betriebsrat und IG Metall erwarten eine klare Zusage zu geltenden Vereinbarungen und dass die konstruktive Zusammenarbeit fortgesetzt wird“, erklärte IG-Metall-Chef und Siemens-Aufsichtsratsvize Berthold Huber. „Ein innovativer Konzern mit hoch qualifizierten Mitarbeitern und Milliardengewinnen bietet dafür eine gute Voraussetzung.“
Auch ein Ende der Personalquerelen verlangten die Arbeitnehmervertreter. „Es geht nicht um Einzelpersonen und Interessen, sondern um das Wohl des Konzerns und seiner Mitarbeiter und eine langfristige und kreative Unternehmensperspektive“, sagte Jürgen Kerner, der ebenfalls für die IG Metall im Siemens-Aufsichtsrat sitzt, der Nachrichtenagentur dpa in München.