Datenautobahn durch die Arktis
Leistungsfähige Tiefseekabel vernetzen die Welt. Mehrere Unternehmer planen Milliarden-Projekte.
Toronto/Berlin. Sie sind die Hauptschlagadern der Informationsgesellschaft: Tiefseekabel umspannen den ganzen Globus. Die wichtigsten Verbindungen verlaufen durch den Atlantik zwischen Nordeuropa und der US-Ostküste sowie durch den Pazifik zwischen der US-Westküste und Ostasien, hochleistungsfähige Kapillaren erstrecken sich heute bis auf die Seychellen oder Mikronesien. Nun, da die arktischen Seewege wegen der Klimaerwärmung zunehmend eisfrei werden, könnten die Kabel für Telefon, Internet und Fernsehen durch den hohen Norden gelegt werden. Mehrere Unternehmer stehen in den Startlöchern.
„Wir werden die schnellste Verbindung zwischen Japan und Großbritannien schaffen“, sagt Douglas Cunningham, Geschäftsmann aus Toronto. Sein Team arbeitet an „Arctic Fibre“, einer 15 600 Kilometer langen Glasfaserleitung von Tokio durch die Nordwestpassage über Neufundland nach London. Der Hauptstrang soll 2014 verlegt werden.
„Internet-Videos, Skype, Google, Facebook — das sind Inhalte, die den Ausbau der Netze vorantreiben“, meint der Telekommunikationsanalyst. Früher sei Internet-Telefonie schrecklich gewesen, da die Laufzeit der Signale über Satellit viel zu lange dauerte. Die wachsenden Märkte in Asien benötigten nun neue Kabel, die extrem schnell die Datenmengen transportieren könnten.
Interesse am Arktis-Kabel, das Daten von Tokio nach London und Frankfurt einige Millisekunden schneller durchleitet als die jetzigen Leitungen, hätten auch Börsen, sagt Cunningham. Weitere Profiteure seien Kreditkartenfirmen, die online eine schnellere Überprüfung der Daten benötigten, und TV-Sender, die bei Live-Schaltungen Bild und Ton möglichst synchron wünschten.
Als Herzensangelegenheit bezeichnet Cunningham die 60 000 Menschen in Kanada und Alaska, die bisher ohne Internetanschluss leben und an Zweige des Seekabels angeschlossen werden könnten. „Wie muss das für sie sein, wenn wie neulich der Satellit für 17 Stunden ausfällt? Dann funktionieren keine Handys, keine Fernseher, die Flugzeuge müssen landen — das Leben kommt zum Stillstand.“
„Arctic Fibre“ ist nicht das einzige Projekt, das sich in der Schreibtisch-Planung befindet: In Anchorage in Alaska wurde das „Arctic-Link“-Kabel entworfen, das ebenfalls von Japan durch die Beringstraße und an Grönland vorbei nach London führen soll.
Ein russisches Kabel namens „Rotax“ hingegen könnte auf einer ganz anderen Route laufen, nämlich von Großbritannien an der russischen Küste entlang über Murmansk, Anadyr und Wladiwostok bis nach Tokio.
„All diese Projekte befinden sich noch im Planungsstatus. Es müssen noch beträchtliche Mengen an Geld aufgebracht werden, damit mit dem Bau begonnen werden kann“, sagt Alan Mauldin, Forschungsleiter beim US-Marktforschungsunternehmen Telegeography. „Arctic Fibre“ soll 600 bis 640 Millionen Dollar kosten, die vor allem von Telekommunikationsfirmen kommen sollen. Für „Rotax“ sind sogar zwei Milliarden Dollar veranschlagt, wie die russische Agentur Interfax meldete.
„Arctic Fibre“ unter: dpaq.de/jLgLX
„Arctic Link“ unter: dpaq.de/Thlgu