Dauerkrise bedroht deutsche Schifffahrt
Hamburg (dpa) - Die bedrohliche Lage der deutschen Schifffahrt hat sich nach vier Jahren Krise nochmals zugespitzt. „Für viele Charterreeder geht es 2013 um die Existenz“, sagte Michael Behrendt, der Präsident des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), am Freitag in Hamburg.
„Mit dem dauerhaften Rückzug wichtiger Schiffsbanken wird der Charterbranche praktisch der Stecker herausgezogen.“ Damit drohe der gesamte maritime Sektor in Deutschland zu zerbrechen und der maritime Standort Deutschland seine Stellung in der Welt zu verlieren. Die Auswirkungen für die Gesamtwirtschaft und die Arbeitsplätze wären gravierend.
Die deutschen Reeder dirigieren rund ein Drittel der weltweiten Containerschiffsflotte, mehr als 1700 Schiffe. Sie beschäftigen 73 000 Seeleute an Bord und 23 000 Arbeitskräfte an Land. Die meisten der rund 400 Reedereien sind mittelständische Unternehmen, die nur über wenige Schiffe verfügen. Sie transportieren keine Ladung, sondern verchartern ihre Schiffe an die großen internationalen Linienreedereien.
Seit 2008 ist die internationale Schifffahrt in eine Schieflage geraten. Weil zu viele Schiffe bestellt wurden, gibt es weitaus mehr Schiffsraum als Transportnachfrage. Deshalb können die Reeder am Weltmarkt nur noch sehr geringe Charterraten erzielen und kaum noch die Betriebskosten decken oder Zinsen und Tilgung leisten. Rund sechs Prozent der weltweiten Containerschiffsflotte sind gegenwärtig komplett stillgelegt.
Unter dem Druck höherer Kapitalanforderungen ziehen sich nun die Banken aus der Schiffsfinanzierung zurück. „Zusätzlich zu den niedrigen Charterraten kommt jetzt noch ein existenzbedrohender Mangel an Fremdkapital“, sagte Behrendt. Als erste seien die kleinen Reedereien mit wenigen Schiffen betroffen, bei denen noch Cashflow und Sicherheiten vorhanden seien. Gerade diese Unternehmen hätten über Jahrzehnte vertrauensvoll mit den Banken zusammengearbeitet und würden jetzt über Nacht im Regen stehen gelassen. „Das halte ich für ausgesprochen ungerecht“, sagte der Verbandspräsident, der selbst einer Linienreederei vorsteht, also weniger betroffen ist.
Der Markt wird nach den Prognosen einschlägiger Institute und Analysten erst in ungefähr zwei Jahren wieder ins Gleichgewicht kommen. Dann gleichen sich global Angebot und Nachfrage wieder an. „Die Perspektiven für die Schifffahrt sind damit mittelfristig gut“, erklärte Behrendt. „Die Frage ist: Wie viele Charterreedereien schaffen den Weg dorthin und wie viele bleiben auf der Strecke?“ Die Branche fordert Hilfe von der Politik. Die bundeseigene Bank KfW soll vorübergehend in die Bresche springen, um Arbeitsplätze und maritimes Knowhow in Deutschland zu halten. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hat diesen Vorstoß jedoch abgelehnt.