Der Fachhändler berät— dann kauft der Kunde online
„Beratungsdiebstahl“ nennt die Branche den Trend, der die klassischen Läden in Bedrängnis bringt.
Düsseldorf/Krefeld. Am Ende stand Verbitterung. „Wir sind es satt“, schrieb der Krefelder Foto-Händler Wolfgang Lennertz mit großen, roten Lettern auf einen Zettel im Schaufenster und kündigte die Schließung seines Geschäfts an. Er wolle sich nicht länger von Kunden, die er oft stundenlang beraten habe, die Online-Preise für Kameras unter die Nase halten lassen.
Lennertz steht mit seinem Problem nicht allein da. Viele Händler in Deutschland klagen seit Jahren über „Beratungsdiebstahl“. Gemeint ist: Der Kunde lässt sich im Fachgeschäft über Kameras, Fernseher oder Outdoor-Textilien beraten und verlangt dann die gleichen Konditionen wie im Netz — oder kauft lieber gleich online. Wie am besten damit umzugehen ist, darüber rätselt die Branche.
Auch Kai Hudetz vom Kölner Institut für Handelsforschung kennt die Problematik. Doch er weist auch auf Veränderungen hin. „Das Problem des Beratungsklaus hat sich zuletzt reduziert.“ Hatten sich 2011 die Kunden noch bei gut einem Viertel der Internet-Einkäufe im stationären Handel Informationen beschafft, so sei dies nur noch bei gut jedem zehnten Internet-Einkauf der Fall.
Doch ein Grund für Entwarnung sei das nicht. „Der Rückgang ist darauf zurückzuführen, dass die Verbraucher heute mehr Vertrauen zu den Online-Händlern haben.“ Früher hätten die Kunden die Produkte erst noch sehen wollen, bevor sie online bestellten. „Aber inzwischen haben Zalando, Amazon und Co. gezeigt, dass das gar nicht nötig ist. Denn man kann die bestellte Ware ja einfach zurückschicken.“
Das aber sei für die Läden noch schlimmer als der Beratungsklau. „Viele Kunden kommen nicht mehr in den Laden“, beschreibt Hudetz die Gefahr. In den USA habe sich in den vergangenen vier Jahren die Besucherfrequenz vieler Geschäfte im Vorweihnachtsgeschäft halbiert. Auch in Deutschland klagten immer mehr Geschäfte über sinkende Kundenzahlen.
Doch das Internet ist für den stationären Handel nicht nur Fluch, sondern auch Segen. Etwa ein Drittel der Käufer in den Läden hätten ihre Einkaufstouren zuvor im Internet vorbereitet, sagt Kai Falk vom Handelsverband Deutschland. Hudetz schlägt in dieselbe Kerbe, wenn er sagt: „Jede Menge Leute informieren sich im Amazon-Shop und kaufen im Laden.“
Für die betroffenen Fachgeschäfte ist dies allerdings kaum ein Trost, wenn wieder einmal ein Kunde von ihrem Know-how profitieren, dafür aber nicht zahlen will. Einen eigenen Weg geht deshalb der Münchner Fotohändler Stefan Wilhelm. Er verlangt für die Beratung bares Geld von den Kunden. Je nach Umfang kostet eine Beratung zwischen fünf und 25 Euro. Wer bei Wilhelm dann kauft, bekommt das Geld zurück.