Deutsche Wirtschaft überrascht mit Wachstumssprung
Wiesbaden (dpa) - Die deutsche Konjunktur läuft auf Hochtouren. Die Wirtschaft legte zum Jahresauftakt vor allem dank der enormen privaten Nachfrage und hoher Investitionen noch dynamischer zu als ohnehin erwartet.
Wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte, stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2011 gegenüber dem Schlussquartal 2010 preis-, saison- und kalenderbereinigt um 1,5 Prozent.
Auch andere Staaten der Euro-Zone konnten gute Wachstumszahlen verkünden. Allen voran Griechenland, das sich über das erste Wachstum nach dem Wirtschaftseinbruch freuen konnte. Und auch die deutschen Dax-Konzerne hatten ein dickes Plus zu verzeichnen.
Im Vergleich zum Auftaktquartal 2010 legte die deutsche Wirtschaftsleistung so stark zu wie noch nie seit der Wiedervereinigung: Die Statistiker berechneten einen BIP-Anstieg von preisbereinigt 5,2 Prozent. Im Krisenjahr 2009 war die Konjunktur um 4,7 Prozent abgestürzt, 2010 dann aber wieder um 3,6 Prozent gewachsen. Damit ist das Vorkrisenniveau von Anfang 2008 bereits wieder überschritten.
Der Boom treibt inzwischen auch andere Euro-Länder an: In Frankreich wuchs das BIP im Vergleich zum Vorquartal um starke 1,0 Prozent, in Spanien um 0,3 Prozent, wie die Statistikbehörde Eurostat am Freitag mitteilte. Italien enttäuschte mit einem schwachen Plus von 0,1 Prozent, die gesamte Eurozone wuchs um 0,8 Prozent.
Überraschend positiv fielen die Zahlen für Griechenland aus. Das hoch verschuldete Land ist erstmals seit dem Wirtschaftseinbruch gewachsen - Eurostat bezifferte das Plus auf 0,8 Prozent zum Vorquartal. Die Neuverschuldung bleibt aber hoch, teilte die EU-Kommission mit. Sie bezifferte das griechische Defizit für 2011 auf 9,3 Prozent der Wirtschaftsleistung. Im hoch verschuldeten Portugal schrumpfte die Konjunktur zwischen Januar und März gegenüber dem Vorquartal um 0,7 Prozent.
Wachstumstreiber in Deutschland war zum Jahresauftakt nach Angaben der Statistiker vor allem die Binnenwirtschaft: Besonders dynamisch stiegen die Investitionen von Industrie und Baubranche, aber auch der Konsum. Die Exporte kletterten ebenfalls weiter. Insgesamt sei der Außenbeitrag aber geringer gewesen als der inländische Anteil am Wachstum. Barclays-Chefvolkswirt Thorsten Polleit schließt gar einen leichten negativen Außenbeitrag nicht aus.
Auch bei den großen deutschen Unternehmen gibt es Grund zur Freude. Nach einer dpa-Auswertung erwirtschafteten die 30 DAX-Konzerne in diesem Quartal unterm Strich einen Gewinn von 21,5 Milliarden Euro. Das waren 23 Prozent mehr als im Vorjahr.
Der neue Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sagte: „Der Einstieg ins Jahr 2011 ist hervorragend gelungen.“ Der Aufschwung habe sich „ausgesprochen kraftvoll“ fortgesetzt. Hingegen wollte Bundesbankpräsident Jens Weidmann die Zahlen nicht überbewerten. Sie seien im Wesentlichen durch Nachholeffekte im Anschluss an das durch besonders kaltes Winterwetter beeinträchtigte Vorquartal geprägt. Die konjunkturelle Grundtendenz sei deutlich niedriger anzusetzen.
Volkswirte hatten nur ein Plus der Wirtschaftsleistung von bis zu einem Prozent im Vergleich zum Vorquartal erwartet und passten nun ihre Prognosen für das Gesamtjahr an. Die Postbank hob ihre Erwartung von 2,8 auf 3,3 Prozent an, die Commerzbank sagt nun ein BIP-Plus von 3,4 statt 3,0 Prozent voraus.
Nach dem witterungsbedingt etwas schwächeren Quartalsplus von 0,4 Prozent Ende 2010 legte die Wirtschaft nun auch wegen starker Nachholeffekte am Bau zu. „Nach unseren Berechnungen hat die Bauwirtschaft gut 0,5 Prozentpunkte zum Wachstum beigetragen. Nachdem die Bauproduktion im Dezember 2010 wegen ungewöhnlich kalter Witterung eingebrochen war, hat sie sich im ersten Quartal erholt und ist gegenüber dem vierten Quartal um 15,7 Prozent gestiegen“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Nach Überzeugung von Ökonomen wird sich das Wachstum im zweiten Quartal verlangsamen, etwa wegen der nachlassenden Dynamik der Weltwirtschaft und steigender Preise. Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel warnt: „Neben hohen Ölpreise und der verheerenden Naturkatastrophe in Japan dürfte sich in Deutschland allmählich auch Engpässe im Arbeitsangebot in einer geringeren Wachstumsrate bemerkbar machen.“ Der Aufschwung werde sich mit gedämpften Tempo fortsetzen. Eine Ende der Konjunkturerholung ist aber nicht in Sicht, glaubt DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater: „Deutschland ist fit für die Zeit nach der Finanzkrise, diesen Aufschwung werden wir so leicht nicht los.“