Deutsche Wirtschaft wächst kräftig
Hamburg/Kiel/Halle (dpa) - Die deutsche Konjunktur brummt - und das deutlich kräftiger als erwartet. Mehrere Experten korrigierten am Donnerstag ihre Prognosen nach oben.
Forscher des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) erwarten nun einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 3,5 Prozent, das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) geht sogar von 3,6 Prozent Wachstum aus. Zuvor lagen die Prognosen um rund einen Prozentpunkt niedriger. Im kommenden Jahr soll die Wirtschaft den Experten zufolge um 2,2 (HWWI) oder 1,6 (IfW) Prozent zulegen.
Auch im Osten gewinnt die Wirtschaft in diesem Jahr an Fahrt - mit dem Wachstum im ganzen Land kann sie aber nicht mithalten. Einer Prognose des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) vom Donnerstag zufolge wird das BIP in den neuen Ländern 2011 um 2,8 Prozent zunehmen, nach 2 Prozent im Vorjahr.
Treibende Kraft des Wirtschaftswachstums im Osten sei weiterhin die Industrie. Zu Jahresbeginn hatte die Wirtschaft in den neuen Ländern laut IWH mit einem Zuwachs von 1,8 Prozent im Vergleich zum vierten Quartal 2010 einen wahren Produktionsschub erlebt. Für das zweite Quartal erwarten die Wirtschaftsforscher jedoch, dass die Dynamik abnimmt.
„Auch im Jahr 2011 bremsen die längerfristig relevanten fundamentalen Schwächen das wirtschaftliche Wachstum“, sagte IWH-Konjunkturexperte Udo Ludwig. So sei der Mittelstand im Osten vergleichsweise kleinteilig und nicht genügend innovativ. Zu den Nachteilen der ostdeutschen Wirtschaft zählt das IWH auch, dass es zu wenig Führungszentralen und Großunternehmen gebe. Für die gesamte Bundesrepublik rechnet das Institut in Halle - wie 2010 - mit einem Wachstum von 3,6 Prozent in diesem Jahr.
Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhte am Donnerstag ebenfalls die Wachstumsprognose für die Eurozone im laufenden Jahr: Gestützt vom robusten Wachstum in Deutschland werde das BIP in der Eurozone im laufenden Jahr um 1,9 Prozent (Spanne: 1,5 bis 2,3) steigen. Bislang hatte die EZB mit einem Durchschnittswert von 1,7 Prozent gerechnet.
„Es ist ein sehr breit getragener Aufschwung in Gang gekommen“, sagte Jörg Hinze, HWWI-Konjunkturexperte am Donnerstag. Trends und Tendenzen für Deutschland werden von den Forschern in Hamburg und Kiel ähnlich beurteilt. Demnach ist vor allem die Binnenkonjunktur angesprungen.
Die Unternehmen investierten wieder mehr, sie kauften Maschinen und bauen Gebäude. Das mache allein die Hälfte des Wachstums aus. Auch der private Konsum, der jahrelang schwächelte, nehme um knapp zwei Prozent zu, so die Experten. Mehr Menschen hätten Arbeit und sie verdienten auch etwas mehr Geld. Der Außenhandel, die verlässliche Stütze der deutschen Wirtschaft, hat ungefähr das Niveau vor der Krise wieder erreicht.
„Deutschland bleibt auf dem Weg zur Vollbeschäftigung“, schreiben Joachim Scheide und Stefan Kooths vom Kieler IfW. Wie auch das HWWI sehen sie die Arbeitslosigkeit in diesem Jahr unter drei Millionen Erwerbslose fallen, im nächsten Jahr sollen nur noch 2,7 Millionen Menschen in Deutschland ohne Job sein. „In einigen Regionen und Berufen könnte der Mangel an Fachkräften das Wachstum bremsen“, befürchtet HWWI-Konjunkturchef Michael Bräuninger.
Die Löhne seien bislang nur moderat gestiegen. Allerdings könne sich das ändern und zu der bei Ökonomen gefürchteten Lohn-Preis-Spirale führen. Die Inflation habe bereits den Schwellenwert von zwei Prozent überschritten und wird demnach in diesem Jahr 2,4 Prozent betragen. Diese Rate erwartet das HWWI auch im kommenden Jahr. Das IfW ist etwas optimistischer und rechnet mit einer Preissteigerung von 2,1 Prozent.
Gefährdet werden könnten die zuversichtlichen Vorhersagen zur deutschen Wirtschaftsentwicklung durch verschiedene Risiken, vor allem aus dem Ausland. An erster Stelle sehen die Experten aus Hamburg und Kiel die Staatsschuldenkrise in Griechenland und anderen europäischen Staaten. Auch seien konjunkturelle Rückschläge in den USA oder wichtigen Schwellenländern nicht auszuschließen. Sie könnten die Entwicklung der deutschen Wirtschaft beeinträchtigen.