Die Grüne Insel will sich neu erfinden
Irlands Parlament aufgelöst. Erhält das Land jetzt eine politische Kultur abseits des Klüngels?
London. In Irland ist am Dienstag das Parlament aufgelöst worden. Bei vorgezogenen Neuwahlen wird das Land in drei Wochen auch seinem Ministerpräsidenten das Mandat entziehen. Dies ist der Schlussakt im irischen Abstiegsdrama und zugleich das Ende einer Ära: Nach 80 Jahren, die die Regierungspartei Fienna Fail das Parlament fast ununterbrochen dominiert hat, gilt ihre Niederlage als unvermeidbar.
Für einen radikalen Neuanfang braucht Irland allerdings mehr als nur anderes Parteipersonal: Ohne eine neue politische Kultur wird die Insel weiter von der Filzokratie beherrscht, durch die sie erst in die Krise geschlittert ist.
Klüngel und Vetternwirtschaft hat in Irland keinen negativen Beigeschmack. Abgeordnete treten gern als Wohltäter auf, die sich um die Sorgen von Ratsuchenden im Wahlkreis kümmern.
Ob sie einen befreundeten Zahnarzt vermitteln, der der armen Oma eine günstige Prothese verschafft oder einem Bauherrn das Genehmigungsverfahren erleichtern: Es gehört zum guten Ton, dass Wählern (und Geldgebern) geholfen wird. Doch wo Politiker und Unternehmer in Symbiose leben, gerät das Gesamtwohl eines Landes schnell aus dem Fokus.
Wenn Unternehmer die Regierungspartei komfortabel mit Spendengeldern ausstatten und der Regierungschef sich mit Pleite-Bankern zum Golfen verabredet, wird Kritik und Kontrolle schwerfallen.
Dass die Interessen von Politik und Wirtschaft deckungsgleich waren und eine solide Planung für den einstigen Wirtschaftsprimus nur Nebensache, zeigt sich erst im Rückblick: Nach dem Absturz fallen massive Regulierungsdefizite bei Banken, in der Bauindustrie und den Stadtplanungsämtern ins Auge.
Irland steht nun vor einer einfachen, nahezu langweiligen Wahl zwischen den mutmaßlich Fähigen, der Opposition, und den Fahrlässigen, der alten Regierungskoalition. Selbst der Ausgang ist schon heute absehbar: Fienna Fail wird nach Dekaden an der Macht die Mehrheit der Mandate verlieren. Wirklich interessant wird es jedoch erst nach der Wahl, wenn es darum geht, politische Erneuerung und einen Generationenwechsel durchzusetzen.