Die Inflation auf dem Rückzug
Tiefste Rate sei August 2010. Experten erwarten aber einen Anstieg im Zuge der Eurokrise.
Wiesbaden. Der Schluck aus der Lohnpulle hat seit 2010 nicht mehr so viel Wirkung erzielt wie jetzt: Die Inflation ist auf dem Rückzug, im April sank sie auf 1,2 Prozent — vor allem wegen sinkender Preise für Pauschalreisen, Sprit und Heizöl. Niedriger war die Teuerungsrate zuletzt im August 2010 mit 1,0 Prozent. Damit deutet sich an, dass 2013 ein vergleichsweise großer Teil der Tariferhöhungen bei den Arbeitnehmern bleibt — und nicht von der Inflation aufgefressen wird.
Vorerst nimmt die niedrige Teuerung auch etwas Druck von den Sparern. Deren Vermögen auf Spar- oder Tagesgeldkonten schmilzt, weil die extrem niedrigen Zinsen meist noch unter der Inflation liegen. Wie lange das so bleibt, ist fraglich.
Der Tiefpunkt dürfte bereits erreicht sein, glaubt beispielsweise Commerzbank-Ökonomin Ulrike Rondorf. Auch Dekabank-Volkswirt Kristian Tödtmann erwartet, dass die Inflation bis zum Jahresende langsam wieder Richtung zwei Prozent steigen wird — während sie im rezessionsgeplagten Euroraum eher niedrig bleiben dürfte.
Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht Preisstabilität bei Raten von knapp unter zwei Prozent gewährleistet, muss bei ihrer Geldpolitik aber den gesamten Euroraum im Blick haben. Da die Eurozone in der Rezession steckt und die Staatsschuldenkrise die Konjunkturerholung bremst, hat die Notenbank den Leitzins auf das Rekordtief von 0,5 Prozent gesenkt. Sie hält die Banken mit Milliardenspritzen am Leben und steht bereit, unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen.
Noch dient das viele Geld als Sicherheitspolster der Banken. Damit ist Inflation noch kein Thema. In Deutschland sind aber bereits erste Vorboten zu erkennen: „Inflation entsteht auf Umwegen. Der erste geht über Vermögenswerte. Die Immobilienpreise sind gestiegen, in den Ballungszentren reden Experten schon von Preisblasen“, sagt Ökonom Thomas Mayer. „Eine so lockere Geldpolitik, wie wir sie global jetzt sehen, führt mittel- und langfristig zu höherer Inflation.“
Die Angst der Deutschen vor einer massiven Geldentwertung sitzt tief. Auch deshalb geht die Bundesbank hart ins Gericht mit der Krisenpolitik der EZB. Ihre Unabhängigkeit sei bedroht. Die sei aber eine zentrale Voraussetzung, um ein stabiles Preisniveau zu garantieren.