Die neue IWF-Chefin im Fadenkreuz der Staatsanwälte
Frankreichs Justiz ermittelt gegen Christine Lagarde wegen einer Finanzaffäre.
Paris. Die Kommentare hörten sich Ende Juni an wie nach einem Fußballspiel. Von einem „schönen Sieg für Frankreich“ sprach Präsident Nicolas Sarkozy, eine „Ehre“ für das Land nannte es Regierungschef François Fillon. Gemeint war die Ernennung von Christine Lagarde zur Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Doch nach nur gut einem Monat fällt ein Schatten auf Frankreich, das schnell nach dem Skandal um Lagardes Vorgänger und Landsmann Dominique Strauss-Kahn die Finanzministerin als Nachfolgerin nominierte.
Die französische Justiz gab gestern grünes Licht für Ermittlungen gegen die 55-Jährige in einer alten Affäre um den Verkauf des deutschen Sportartikelherstellers Adidas. Damit ist die ehemalige Anwältin innerhalb weniger Wochen die zweite Französin an der Spitze des IWF, die es mit der Justiz zu tun bekommt.
Sicher wird die Ex-Spitzensportlerin nicht so vorgeführt werden wie Strauss-Kahn, der Ende Mai wegen Vergewaltigungsversuchs tagelang in einer New Yorker Gefängniszelle sitzen musste. Doch ganz spurlos dürften die Ermittlungen auch an Lagarde nicht vorbeigehen, die ihre Arbeit als IWF-Chefin dadurch nicht beeinträchtigt sieht.
Lagarde, die eigentlich als Sauberfrau des Kabinetts galt, ist letztlich ein Opfer des Vorwahlkampfes in Frankreich, wo in knapp neun Monaten ein neuer Präsident gewählt wird. Es waren nämlich die oppositionellen Sozialisten, die Untersuchungsrichter Jean-Louis Nadal baten, den Gerichtshof der Republik mit dem Fall zu befassen.
Lagarde soll, als es beim Adidas-Verkauf um Entschädigungen für den früheren Besitzer Bernard Tapie ging, zugunsten des zwielichtigen Geschäftsmannes gehandelt und so den Staat um Steuergelder im dreistelligen Millionenbereich gebracht haben. Lagardes Anwalt Yves Repiquet ätzte gestern auch gleich gegen die „Handvoll Abgeordnete“, die den Verdacht gegen seine Mandantin zu politischen Zwecken aufgebracht hätten.
Eigentlich geht es den Sozialisten, die ursprünglich ihren gefallenen Hoffnungsträger Strauss-Kahn ins Rennen um die Präsidentschaft schicken wollten, nicht um Lagarde, sondern um Sarkozy. Der soll nämlich ein guter Freund Tapies sein und seine damalige Finanzministerin dazu gebracht haben, die Angelegenheit im Sinne des früheren Präsidenten des Fußballvereins Olympique Marseille zu erledigen.
Der Präsident, der seine Kandidatur für die Wiederwahl noch nicht erklärt hat, dürfte die Affäre aussitzen. Und die Justiz könnte ihm dabei helfen: Sollten die Ermittlungen zu einem Prozess führen, könnte es Jahre dauern, bis es zu einem Urteil kommt. Dann sind wahrscheinlich weder Sarkozy noch Lagarde im Amt.