Eine Million Stellen unbesetzt DIHK sieht Fachkräftemangel als größte Herausforderung
Berlin (dpa) - Der Mangel an Fachkräften und Nachwuchs ist aus Sicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertags die größte Herausforderung für die Wirtschaft.
DIHK-Präsident Eric Schweitzer forderte verschiedene Gegenmaßnahmen, zum Beispiel eine massive Stärkung der beruflichen Bildung sowie ein Zuwanderungsgesetz.
„Das duale Ausbildungssystem, um das uns alle Welt beneidet, muss wieder gestärkt werden und mehr wertgeschätzt werden“, sagte Schweitzer der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Die Berufsschulen sind zum Teil in einem maroden Zustand, sie werden seit Jahren stiefmütterlich behandelt. An Gymnasien muss es flächendeckend Berufsorientierung auch zur beruflichen Bildung geben.“
Für 56 Prozent der Unternehmen sei in den aktuellen Umfragen des DIHK der Fachkräftemangel das größte Geschäftsrisiko. „Das ist ein extrem hoher Wert“, sagte Schweitzer. Dieser Wert habe sich seit 2011 mehr als verdreifacht.
Bundesweit seien derzeit mehr als eine Million Stellen unbesetzt. Gerade auch in der Logistik gebe es Probleme. Es stünden zum Beispiel zu wenig Berufskraftfahrer und zu wenig Binnenschiffer zur Verfügung. „Unternehmen bekommen deshalb zur Zeit kaum noch zusätzliche Transportkapazitäten innerhalb Deutschlands.“
Der DIHK-Präsident sagte außerdem, fast ein Drittel der Bachelor-Studierenden breche das Studium ab. „Das ist für die Betroffenen frustrierend und eine volkswirtschaftliche Fehlinvestition. Deshalb sollte es uns gemeinsam gelingen, jungen Menschen früher und besser als heute über die duale Ausbildung als Alternative zum Studium zu informieren.“
Notwendig sei außerdem ein Zuwanderungsgesetz für die Integration von Fachkräften. „Wir brauchen mehr qualifizierte Zuwanderung in Deutschland. Wir brauchen vor allem mehr Facharbeiter.“ In den vergangenen Jahren habe die Wirtschaft sehr von der Zuwanderung aus der EU profitiert. „Das allein reicht aber auf Dauer nicht aus.“ In vielen EU-Ländern sei die wirtschaftliche Lage außerdem wieder besser.
Einer Studie des Instituts für Wirtschaft (IW) zufolge arbeiten knapp 60 Prozent der aus den acht wichtigen Asylländern stammenden Beschäftigten als Fachkräfte. Rund 43 Prozent füllten Stellen aus, die mindestens eine zweijährige abgeschlossene Berufsausbildung erforderten. 9,4 Prozent arbeiteten in Positionen, die in der Regel ein Diplom, einen Master- oder Bachelor-Abschluss voraussetzten, geht aus der Untersuchung des IW hervor, über die zuvor die Funke Mediengruppe (Donnerstag) berichtete.
Der Anteil derjenigen, die Berufe ausübten, die einen Meister-, Techniker- oder Fachhochschulabschluss verlangten, lag nach den IW-Zahlen dagegen nur bei 4,1 Prozent. Das IW bezieht sich dabei auf inzwischen überholte Basiszahlen der Bundesagentur für Arbeit. Ende September waren bereits 195 000 Menschen aus diesen Staaten sozialversicherungspflichtig beschäftigt; dies sind rund 75.000 mehr als im September 2016. Nicht alle davon sind allerdings Flüchtlinge.
Schweitzer forderte daneben erhebliche Investitionen in die Infrastruktur, insbesondere in den digitalen Breitband-Ausbau, sowie ein einheitliches E-Government über alle Verwaltungsstrukturen. Wie auch führende Wirtschaftsforschungsinstitute rechnet der DIHK für das kommende Jahr mit einem höheren Wachstum, und zwar mit einem Plus von 2,2 Prozent.
Tausende Betriebsinhaber suchten zudem vergeblich einen Nachfolger - der Fortbestand vieler mittelständischer Betriebe sei deshalb gefährdet, sagte Schweitzer der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstag). „Noch nie haben sich so viele Alt-Inhaber bei der Suche nach einem Nachfolger für ihren Betrieb an ihre regionale Industrie-und Handelskammer gewandt.“
Voriges Jahr hätten sich bei den Industrie- und Handelskammern 6654 Alt-Inhaber beraten lassen, 44 Prozent hätten keinen passenden Nachfolger gefunden. Erschwerend komme hinzu, dass die Zahl der Kaufinteressenten auch sinke. Manche der Alt-Inhaber könnten „emotional nicht loslassen“, heißt es laut Zeitung beim DIHK. 41 Prozent der Senior-Unternehmer forderten auch deshalb einen überhöhten Kaufpreis.