Diskussionen um Fahr-Automatik nach tödlichem Tesla-Crash
Berlin/Washington (dpa) - Nach dem ersten tödlichen Unfall mit einem vom Computer gesteuerten Auto zeichnet sich ein Wandel im Umgang mit Fahrassistenz-Systemen ab. Auch der Weg zu komplett selbstfahrenden Roboterwagen könnte von dem Crash eines Tesla-Elektrofahrzeugs in den USA massiv beeinflusst werden.
Zugleich hält Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) an Plänen fest, noch 2016 eine „innovationsfreundliche Änderung des Straßenverkehrsgesetzes“ zu beschließen, um vollautomatisiertes Fahren auf deutschen Straßen zuzulassen. Eine Ethik-Kommission unter Vorsitz des früheren Verfassungsrichters Udo di Fabio solle aber moralische Fragen bei der Einführung vollautomatisch fahrender Wagen abklären, sagte Dobrindt der „Bild am Sonntag“.
Die EU-Kommission erklärte am Wochenende, sie berate mit Behörden der Mitgliedsländer sowie Industrie- und Verbraucherorganisationen, wie die Anforderungen an Fahrassistenz-Systeme verbessert werden könnten.
Ein am Freitag eingebrachter Änderungsvorschlag für die aktuellen internationalen Regeln sieht unter anderem vor, dass dem Fahrer stets angezeigt werden soll, wenn ein Lenk-Assistent in die Steuerung eingreift. Außerdem soll es ein dauerhaftes Ton-Signal geben, wenn ein Spur-Assistent über längere Zeit aktiv ist. Der Vorschlag wurde von Experten der EU-Kommission sowie aus Deutschland, Frankreich, Japan, Südkorea, Schweden und den Niederlanden eingebracht.
Anfang Mai war in den USA ein Mann ums Leben gekommen, als sein gerade von Teslas Fahrassistenz-System „Autopilot“ gesteuertes Elektroauto unter einen querenden Lastwagen-Anhänger raste. Es war der erste Todesfall in einem vom Computer gesteuerten Fahrzeug.
Nach Tesla-Angaben hielt die Software die weiße Seitenwand des Anhängers für ein hochhängendes Autobahnschild. Der Konzern betonte stets, „Autopilot“ sei nur ein Fahrassistenzsystem und mache die Teslas nicht zu komplett selbstfahrenden Autos. Deswegen fordert der Hersteller die Fahrer auf, den Überblick über die Verkehrslage zu behalten und jederzeit eingreifen zu können.
Dennoch belegen unter anderem zahlreiche Videos im Internet, dass viele Fahrer der Technik so weit vertrauten, dass sie ihr die Kontrolle überließen. Der verunglückte Fahrer hatte erst wenige Wochen vor dem tödlichen Crash einen Film hochgeladen, der zeigt, wie die „Autopilot“-Funktion einem Lastwagen ausweicht, der überraschend auf seine Spur wechselte, und damit eine Kollision verhindert.
Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid für den „Focus“ ergab, dass in Deutschland lediglich 29 Prozent der Befragten sich vorstellen können, in einem selbstfahrenden Auto unterwegs zu sein. 67 Prozent können sich das nicht vorstellen.
Am Freitag war zudem bekanntgeworden, dass in Deutschland das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die „Autopilot“-Funktionen unter die Lupe nimmt. Tesla verweist auf eine europäische Zulassung in den Niederlanden, wo die Fahrzeuge für Europa montiert werden.
Die fünf Elemente des „Autopilot“-Systems - Lenken, Spurwechsel, automatisches Einparken, Warnung von seitlichen Kollisionen und die Möglichkeit, ein parkendes Auto vorfahren zu lassen - seien in Europa in den Niederlanden zugelassen worden, betonte der Autobauer. Tesla sei bekannt, dass das KBA die „Autopilot“-Komponenten überprüfe. Das Unternehmen kooperiere in allen Aspekten, hieß es.
Die deutsche Behörde stört die Bezeichnung „Beta“, die Tesla Elementen seines Systems verpasste. So wird in der Tech-Branche noch nicht endgültig fertige Software bezeichnet, die durch Tests besser werden soll. „Wenn mit der Bezeichnung „Beta-Version“ ein „unfertiger“ Stand der Software gemeint ist, würde das KBA eine Funktionalität mit einer derartigen Software nicht genehmigen“, sagte ein Sprecher des Flensburger Amtes der „Welt am Sonntag“.
Dobrindt betonte in der „Bild am Sonntag“, bei den Überlegungen der Ethik-Kommission solle es darum gehen, „was die Algorithmen in den Fahr-Computern berücksichtigen müssen beziehungsweise was die Programmierer dürfen und was nicht“. Die Kommission solle in seiner Behörde angesiedelt werden.
Er hob zwei Grundsätze hervor, die gelten müssten: „Sachschaden geht immer vor Personenschaden. Und es darf keine Klassifizierung von Personen geben, etwa nach Größe oder Alter.“ Er sei überzeugt davon, dass automatisierte Systeme die Zahl an Unfällen, Verletzten und Toten letztlich „drastisch reduzieren“ werden, meinte Dobrindt. Über 90 Prozent der Unfälle gehen auf menschliche Fehler zurück.
In den USA schaltete sich in die Ermittlungen zum Tesla-Crash auch die Untersuchungsbehörde NTSB ein. Sie wird üblicherweise bei Flugzeugunglücken aktiv, analysiert aber auch in anderen Bereichen Fälle, die eine grundsätzliche Bedeutung haben könnten.
Diesmal gehe es um den Einsatz von Technik zum automatisierten Fahren auf der Straße, sagte ein Sprecher der NTSB der Nachrichtenagentur Bloomberg am Freitag (Ortszeit). In der kommenden Woche solle ein fünfköpfiges Ermittlerteam an den Unglücksort in Florida reisen.