Durchbruch im Tarifkonflikt: Entspannung im Weihnachtsgeschäft
Korntal-Münchingen (dpa) - Mitten im wichtigen Weihnachtsgeschäft haben sich die Tarifpartner in Baden-Württemberg auf den bundesweit ersten Abschluss im Einzelhandel geeinigt. Für rund 220 000 Beschäftigte in dem Land gibt es eine Gehaltssteigerung von 3 Prozent rückwirkend zum 1. Juli 2013.
Zum 1. April 2014 sollen die Entgelte dann um weitere 2,1 Prozent steigen. Der Durchbruch bei den Verhandlungen in der Nacht zum Donnerstag könnte bundesweiten Signalcharakter für die Branche haben. In Hessen etwa setzte die Gewerkschaft Verdi geplante Warnstreiks aus.
Ulrich Köster, Vorsitzender des Tarifpolitischen Ausschusses des Handelsverbandes Deutschland (HDE), wertete die Zeichnung als „ein gutes Signal, dass wir auch in den anderen Tarifgebieten nun zu einer Lösung kommen.“ Auch wenn dort die Ausgangssituation eine andere sei. Es gibt zwar keinen bundesweiten Tarifvertrag, die Ergebnisse in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen galten zuletzt aber häufig als Vorlage für andere Tarifbezirke.
„Dieser Tarifvertrag ist aus unserer Sicht ein echter Meilenstein“, sagte der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Philip Merten, am Donnerstag in Korntal-Münchingen. Sein Gegenüber von Verdi, Bernhard Franke, sprach von einem „Waffenstillstand“.
Bei der Einigung in der Nacht war der hart umkämpfte Manteltarifvertrag wieder eingesetzt worden. Allerdings wurde als Übergangslösung eine neue Lohngruppe für Regalfüller eingeführt. Im kommenden Jahr wollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber dann über die vom Handel seit langem geforderten Reformen bei den Lohngruppen sprechen. Dies werde ein „Kraftakt“, sagte Franke.
Neben der Entgelterhöhung werden die Ausbildungsvergütungen überproportional angehoben. Außerdem ist eine Klarstellung für flexible Arbeitszeitregelungen formuliert worden. Am Freitag muss die Große Tarifkommission der Gewerkschaft dem Ergebnis noch zustimmen.
In Nordrhein-Westfalen wollen die Tarifparteien am 10. Dezember über den Entwurf aus dem Südwesten sprechen. In dem mit rund 650 000 Beschäftigte bundesweit größten Tarifbezirk werde es aus Sicht der Gewerkschaft jedoch nicht um eine komplette Übernahme der Einigung gehen. Insbesondere bei den Zuschlägen wolle man keine Kürzungen hinnehmen, sagte Verdi-Verhandlungsführerin Silke Zimmer. In den nächsten Tagen sind in dem Bundesland weitere Warnstreiks geplant.
In Hessen setzte Verdi geplante Streiks aus. Das Ergebnis könne bundesweit einen Durchbruch bringen und den Tarifkonflikt sofort beenden, erklärte der hessische Verdi-Verhandlungsführer Bernhard Schiederig. Man wolle daher ein positives Zeichen setzen. Er forderte die Arbeitgeber auf, diese „einmalige Chance“ bei den im Tarifbezirk anstehenden Verhandlungen am 11. Dezember zu nutzen. Es gebe aber auch deutliche Unterschiede zwischen den Tarifwerken in Hessen und Baden-Württemberg, über die noch gesprochen werden müsse.
Die Tarifverhandlungen im Südwesten hätten mit sieben Verhandlungsrunden ungewöhnlich lange gedauert, es sei in einer bislang nicht bekannten Intensität gestreikt worden, sagte Verdi-Verhandlungsführer Franke. Einer der strittigsten Punkte sei die Frage gewesen, wie Regalauffüller, die oft über Werkverträge ausgegliedert würden, wieder in den Tarifvertrag geholt werden könnten.
Der erzielte Kompromiss sehe nun vor, dass von 2014 an eine neue Lohngruppe mit einem Stundenlohn von knapp unter zehn Euro geschaffen wird. „Damit wollen wir den Tarifvertrag wieder attraktiv machen“, sagte Arbeitgeber-Verhandlungsführer Merten. Die Tarifbindung im Einzelhandel liege inzwischen nur noch bei etwas mehr als 40 Prozent.