E10-Einführung ging auch sprachlich daneben
Mannheim (dpa) - Der Start des neuen Super-Kraftstoffes E10 ist auch aus sprachwissenschaftlicher Sicht gründlich missglückt.
So seien die Schlüsselbegriffe bei der Einführung der Spritsorte sehr unglücklich gewählt und hätten zur Verunsicherung der Verbraucher maßgeblich beigetragen, sagte der Direktor des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache (IDS), Prof. Ludwig Eichinger, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Vor allem der offizielle Begriff „E10-Verträglichkeit“ sei ein gutes Beispiel für den großen Einfluss der Sprache - die Automobilindustrie hatte ihrer Liste mit Autos, die E10 tanken dürfen, den Titel „E10-Verträglichkeit“ gegeben. „Verträglichkeit klingt natürlich nach großer Vorsicht und ist daher auch nicht geeignet, die Sorgen der Nutzer zu zerstreuen - wenn sie denn begründet sind“, sagte Eichinger, dem neutralere Alternativen einfallen. „Da wäre so etwas wie "E10-Eignung" oder Ähnliches zweifellos eine positivere Variante gewesen.“
Dem Wissenschaftler zufolge schwingt bei „E10-Verträglichkeit“ immer mit, dass der Kraftstoff eben auch unverträglich sein kann und damit ein Potenzial für Schäden hat. Die offizielle Bezeichnung sei somit geradezu geeignet, Misstrauen hervorzurufen und Skepsis zu bestätigen. „Denn bei "E10-Verträglichkeit" hat der Konsument natürlich sofort die Idee: "Die formulieren so vorsichtig wie sie nur können, weil sie selber auch nicht genau wissen, wie es ist“, sagte Eichinger. „Es klingt nach einer Juristenformulierung.“
Zur Verunsicherung mag beitragen, dass bei den Autos mit und ohne E10-Eignung wenig Systematik erkennbar ist. Je nach Modell sind auf der Liste einige Baujahre ausgenommen oder aber bestimmte Motoren, die dann in anderen Generationen wieder als verträglich gelten. Auch die jüngsten Beteuerungen der Autohersteller, die Liste sei „verbindlich“ und die Autofahrer könnten „sich darauf verlassen“, änderte wenig an der Tatsache, dass E10 Ladenhüter ist und bleibt.
Eichinger kritisiert auch den Produktnamen E10, der für die zehn Prozent Ethanol-Anteil steht. „Ich glaube nicht, dass vielen klar ist, wofür Buchstabe und Zahl stehen.“ So werde dann gerätselt. „Und das ist ein echtes Problem, weil wir das E mit Nummern dran beispielsweise als Bezeichnung für Zusatzstoffe im Essen kennen.“
Die Abkürzung sei zu inhaltsleer und knüpfe an nichts Bekanntes an. „Ethanol ist ein hochgradiges Fachwort, das man zwar kennt, aber sicher nicht unmittelbar mit dem Buchstabenkürzel in Verbindung bringt“, sagt der 60-Jährige, der das IDS seit 2002 leitet.
Sprachwissenschaftliche Tipps hat Eichinger parat: „Man hätte eine Benennung suchen sollen, die irgendwie in die üblichen Reihen passt und sich an Bekanntes anlehnt. Etwa, indem man den neuen Sprit marketingtechnisch ausschließlich Super-Ethanol nennt. Damit hätte man gewiss eine größere positive Stimmung schaffen können.“
Auch bei der Umschreibung als Bio-Kraftstoff oder Bio-Super sieht der Experte Probleme: „Die jetzige Diskussion, wie "bio" das wirklich ist, hängt sicherlich auch damit zusammen.“ Sein Vorschlag für die Beschriftung der Zapfsäulen: „Ich hätte es Super-Ethanol genannt und druntergeschrieben, dass es zehn Prozent Ethanol-Anteil hat.“