Ein Deutscher übernimmt die Baustelle Blackberry

Waterloo (dpa) - Ein Deutscher soll den Blackberry-Hersteller Research in Motion (RIM) aus der Krise führen. Der bisher für das Tagesgeschäft zuständige Thorsten Heins löst das zuletzt heftig kritisierte Führungsduo Mike Lazaridis und Jim Balsillie ab.

Dies teilte das Unternehmen aus dem kanadischen Waterloo mit. Damit endet eine Ära: Lazaridis und Balsillie hatten die 1984 gegründete RIM nicht nur zu einem High-Tech-Koloss mit einem Jahresumsatz von rund 20 Milliarden Dollar gemacht. Sie hatten auch maßgeblichen Anteil daran, dass das Smartphone als solches populär geworden ist. Die E-Mail-Maschine Blackberry wurde zum Statussymbol der Manager weltweit. Mit dem Siegeszug von Apples iPhone und später der Android-Smartphones ist der Stern jedoch im Sinken.

Die Marktanteile schrumpfen vor allem in den USA seit längerem und damit taumelte auch der Aktienkurs. Deshalb fordern einflussreiche RIM-Aktionäre seit Monaten Konsequenzen in der Führungsetage. RIM habe aus der Vergangenheit gelernt, sagte Heins, und versprach am Montag in einer Telefonkonferenz: „Wir konzentrieren uns mehr auf die Privatkunden.“

Der 54-Jährige hatte Karriere in der früheren Kommunikationssparte von Siemens gemacht, bevor er 2007 zu RIM wechselte. Dort spielte er eine entscheidende Rolle bei der Konzeption der aktuellen Smartphones. Zuletzt war er einer von zwei Manager, die das Tagesgeschäft führten.

„Es gibt eine Zeit in der Entwicklung eines jeden Unternehmens, wo die Gründer die Notwendigkeit erkennen müssen, den Stab an eine neue Führung weiterzureichen“, sagte Mitgründer Lazaridis. Er zieht sich auf den Posten des stellvertretenden Verwaltungsratschefs zurück. Balsillie, der später zu RIM dazugestoßen war, wird einfaches Mitglied des Kontrollgremiums.

Die RIM-Spitze hatte den Trend hin zu berührungsempfindlichen Bildschirmen verschlafen; zudem hinken die Blackberrys in Sachen Multimedia dem iPhone und den Android-Smartphones hinterher. Der Umsatz war zuletzt in einem boomenden Markt zurückgegangen. Das erste Tablet Playbook wurde zum Ladenhüter und riss ein Loch von mehreren hundert Millionen Dollar in die Bilanz. Die Einführung eines neuen Betriebssystems, das die Geräte attraktiver machen soll, verzögert sich immer weiter. Der Aktienkurs war stark gefallen, was zuletzt für Übernahmespekulationen gesorgt hatte.

Im Kerngeschäft mit Smartphones sank der Blackberry-Marktanteil binnen eines Jahres von gut 15 auf 11 Prozent. Marktforscher wie Gartner rechnen damit, dass es weiter bergab gehen wird. RIM könne zwar als Nischen-Anbieter mit Fokus auf den Unternehmensbereich weitermachen, sagte Gartner-Analystin Carolina Milanesi am Montag. Die einstigen hohen Renditen würden damit aber nicht zurückkehren. Das Unternehmen brauche angesichts der starken Konkurrenz radikale Schritte, und zwar schnell.

Heins steht jedoch, das machte er gleich nach seiner Ernennung klar, nicht für einen radikalen Wandel. Er lehnte es ab, RIM aufzuspalten. Er setzt stattdessen große Stücke auf das neue Betriebssystem Blackberry 10, das im Laufe des Jahres herauskommen soll. Den Anlegern reichte das nicht; sie hatten einen Befreiungsschlag erwartet: Im frühen New Yorker Handel büßte die RIM-Aktie zeitweise sieben Prozent ein.

Der RIM-Umsatz war in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres trotz eines stark wachsenden Marktes auf 14,2 Milliarden US-Dollar gefallen (10,9 Mrd Euro). Der Gewinn halbierte sich gar auf 1,3 Milliarden Dollar. Zahlen für das Schlussquartal liegen noch nicht vor, doch RIM warnte bereits vor einem Verkaufseinbruch. Zuletzt hatte RIM rund 75 Millionen Nutzer weltweit.

Aktuell lebt RIM vor allem von der E-Mail-Nische. Viele Unternehmen betreiben weiter ihre Blackberry-Server; auch Verbraucher in Schwellenländern oder Jugendliche auf der Suche nach einem günstigen E-Mail-Gerät greifen gerne zu den Telefonen der Kanadier, die zumeist billiger sind als ein iPhone oder Android-Smartphone. Bei den Einstiegsgeräten sind jedoch die Gewinnmargen niedriger.

Viele Börsianer hatten das bisherige Führungsduo Balsillie und Lazaridis persönlich für die Pechsträhne verantwortlich gemacht. Die beiden waren gleichzeitig Konzernchefs und als Vorsitzende des Verwaltungsrats ihre eigenen Kontrolleure. Großinvestoren forderten eine Trennung der Posten. Dass das Duo gleich ganz zurücktritt, kam unerwartet. Tatsächlich werden die Posten nun aber auch getrennt: Den Verwaltungsratsvorsitz übernimmt die Bankmanagerin Barbara Stymiest.