Empörung über hohe Dispozinsen
Berlin (dpa) - Fürs Überziehen des Girokontos werden Kunden laut einer Studie oft immer noch viel zu hohe Zinsen abgeknöpft - obwohl Banken und Sparkassen so günstig an Geld kommen wie nie.
Es liege nahe, dass „die Erträge aus dem Dispokreditgeschäft die Kosten, die dem Kreditinstitut für dieses einzelne Produkt entstehen, deutlich übersteigen“, heißt es in einem am Donnerstag vorgelegten Gutachten für die Bundesregierung. Verbraucherministerium Ilse Aigner (CSU) dringt auf mehr Transparenz und Wettbewerb. Gesetzliche Obergrenzen, wie sie SPD, Grüne und Verbraucherschützer verlangen, lehnt sie ab.
Aigner forderte die Geldinstitute auf, Zinsvorteile weiterzugeben. „Wollen die Banken den Kredit bei ihren Kunden nicht verspielen, müssen sie runter von überhöhten Dispozinsen.“ Nötig seien unter anderem bessere Informationen. „Es kann nicht sein, dass man eine Stunde lang auf der Internetseite einer Bank suchen muss, bis man die Höhe des Dispozinses findet.“ Im Herbst will die Ministerin Branche, Verbraucherschützer und Schuldenberater zu einem Gespräch einladen.
Nach jüngsten Angaben der Stiftung Warentest werden derzeit im Schnitt zwischen zehn und elf Prozent Zinsen für das Überziehen des Girokontos berechnet, teils lagen die Sätze bei mehr als 14 Prozent. Dagegen hatte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins, zu dem sich Banken Geld beschaffen können, erst Anfang Juli auf das historische Tief von 0,75 Prozent gesenkt.
Aus Sicht des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) reicht Transparenz nicht aus, das Problem in den Griff zu bekommen. „Das gelingt nur mit einer gesetzlichen Deckelung“, sagte vzbv-Vorstand Gerd Billen. Banken müssten zu besseren Umschuldungsmöglichkeiten in günstigere Ratenkredite verpflichtet werden. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte der „Bild“-Zeitung (Freitag): „Wir brauchen endlich ein Gesetz mit einer Obergrenze für Dispo-Zinsen.“ Der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid (SPD) kündigte eine Bundesratsinitiative an. Grünen-Verbraucherexpertin Nicole Maisch sagte, nötig sei ein Limit für Dispozinsen, das sich an einem Referenzzinssatz orientiere.
Aigner sagte dagegen, eine staatliche Obergrenze hätte das Risiko, dass es für alle Kunden teurer werde, „weil auch günstige Banken die Obergrenze voll ausschöpfen würden und sich teure Banken das entgangene Geld über Gebührenerhöhungen hereinholen.“ Im Gutachten für das Ministerium wird analysiert, dass Obergrenzen Klarheit für Verbraucher schafften, aber auch negative Effekte hätten. So bestehe die Gefahr, dass Anbieter sie „zu ihren Gunsten ausschöpfen“.
Die Experten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und des Instituts für Finanzdienstleistungen weisen darauf hin, dass ein Preiswettbewerb bei Dispozinsen fehle. Einnahmen würden wohl „zur Quersubventionierung anderer Leistungen oder zur Gewinnsteigerung verwendet“. Die Kreditausfall-Quoten seien mit etwa 0,2 Prozent sogar niedriger als bei normalen Krediten mit 2,5 Prozent. Beispiele aus der Praxis zeigten, dass Banken mit Dispozinsen von „um die zehn Prozent“ profitabel arbeiten könnten.
Die Bankenbranche wies die Kritik zurück. Der intensive Wettbewerb führe zu „marktgerechten Zinskonditionen“, betonte die Deutsche Kreditwirtschaft als Dachorganisation von Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Dispokredite seien ein besonderes, kurzfristig nutzbares Angebot, das nur als Überbrückung für kurze Zeit gedacht sei. Der „laufende Aufwand“, sie vorzuhalten und zu überwachen, sei höher. Auch das Ausfallrisiko sei entgegen der Studie größer. Denn wenn Dispokredite in günstigere Ratenkredite umgewandelt würden, werde ein Ausfall statistisch bei Ratenkrediten erfasst.
Von der Möglichkeit eines unkomplizierten Kleinkredits machen Bankkunden in Deutschland rege Gebrauch. Fast jeder vierte Verbraucher (24 Prozent) hat in diesem Jahr laut einer Umfrage des Instituts Forsa schon sein Girokonto überzogen, wie das Ministerium mitteilte. Befragt wurden Mitte Juli 1001 Menschen ab 18 Jahren.