Insolvenzverwalter kontrollieren jetzt Neckermann

Frankfurt/Main (dpa) - Der Versandhändler Neckermann wird ab sofort von Insolvenzverwaltern kontrolliert. Einen Tag nach dem Gang zum Amtsgericht wurden die Frankfurter Anwälte Michael Frege und Joachim Kühne von der Kanzlei CMS als vorläufige Insolvenzverwalter eingesetzt.

Frege soll sich nach Gerichtsangaben vom Donnerstag um das Handelshaus Neckermann.de kümmern, Kühne um die Logistik-Sparte. Frege machte sich unter anderem als Insolvenzverwalter der deutschen Tochter der Pleitebank Lehman Brothers einen Namen.

Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleibt die bisherige Geschäftsführung im Amt. Sie braucht aber für alle Entscheidungen die Zustimmung der Aufseher. Ob die Insolvenzverwalter die Führung der Firma übernehmen oder ob es eine Insolvenz in Eigenverwaltung geben wird, ist offen.

Management und Gewerkschaft hatten seit April um die Sanierung des 62 Jahre alten Unternehmens gerungen. Nach dramatischen Verhandlungen war ein Kompromiss erzielt worden. Dieser war am Mittwoch jedoch am Widerstand des Eigentümers der Neckermann.de GmbH, dem US-Finanzinvestor Sun Capital, gescheitert. Sun Capital war der Umbau letztlich zu teuer.

Mit einem Abbau von 1380 Arbeitsplätzen sollte das Unternehmen wieder auf Kurs gebracht werden. Das Management versucht seit Monaten, das Geschäft noch stärker weg vom traditionellen Katalogverkauf ins Internet zu verlagern. Nach Angaben eines Unternehmenssprechers werden derzeit rund 85 Prozent des Umsatzes online erzielt - mit steigender Tendenz.

Bei den etwa 2400 Mitarbeitern ist die Ernüchterung groß. „Das ist eine Riesenenttäuschung“, sagte Logistik-Betriebsrat Thomas Schmidt. Viele hätten jetzt Angst vor der Zukunft und fragten sich: „Habe ich überhaupt noch eine Chance“, beschrieb Schmidt die Stimmung in der Belegschaft. Im Versand seien die Mitarbeiter im Schnitt seit 20 Jahren im Unternehmen. „Das war doch ein Stück von unserem Leben und jetzt wurden wir eiskalt abserviert“, sagte Schmidt. Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi stehen nun etwa 2000 Arbeitsplätze in Frankfurt am Main und etwa 250 Arbeitsplätze in Heideloh auf dem Spiel. Außerdem zählt das Unternehmen ein Callcenter in Istanbul mit etwa 200 Mitarbeitern zum deutschen Markt.

Die Gewerkschaft verteidigte ihre Strategie bei den gescheiterten Verhandlungen. Die Arbeitnehmerseite sei zu Zugeständnissen bereit gewesen, wenn die Zukunft des Betriebs gesichert worden wäre, sagte Bernhard Schiedrig von Verdi: „Wir haben nicht und wollen auch nicht auf Schließung des Versandhandels und damit des Verlustes von rund 1 500 Arbeitsplätzen verhandeln.“ Vorwürfe, die Gewerkschaft habe zu hoch gepokert, wies Schiederig zurück.

Die Konkurrenz zeigt zunächst kein Interesse an einem Einstieg bei dem Frankfurter Unternehmen. Ein Sprecher des Hamburger Konzerns Otto sagte: „Es ist jetzt Aufgabe des Insolvenzverwalters und des Neckermann-Managements ... eine Lösung zu finden.“ Nach der Pleite von Quelle im Jahr 2009 hatte Otto einige Teile aus der Insolvenzmasse übernommen.