Energiewende: Windpark ohne Stromanschluss
Das Offshore-Projekt vor Borkum ist fertig — doch es fehlen 15 Kilometer Seekabel.
Norddeich. Verkehrte Welt vor Borkum: Dort drehen sich ab Samstag 30 Windkraftanlagen des ersten deutschen kommerziellen Offshore-Windparks Riffgat — aber sie werden nicht vom Wind, sondern von Dieselmotoren angetrieben. Grund ist die Verzögerung beim Netzanschluss für den Nordsee-Windpark.
Der Windpark ist zwar fertig, doch es fehlen 15 Kilometer Seekabel für den Transport des Stroms an Land. Der Oldenburger Energieversorger EWE rechnet mit Millionenverlusten, wenn der 450 Millionen Euro teure Windpark erst im Februar 2014 ans Netz gehen kann. „Die Kosten zahlen wir und der Kunde über die EEG-Umlage“, sagt EWE-Sprecher Christian Blömer.
In der Rekordzeit von 14 Monaten wurden 30 Windräder mit einer Leistung von 108 Megawatt errichtet, um rechnerisch 120 000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Heute wird der Bau als Beitrag zur Energiewende gefeiert, doch statt Ökostrom kommt derzeit nur der Rauch von Dieselgeneratoren aus dem Windpark: 22 000 Liter Treibstoff im Monat sind nötig, um die Windräder als Schutz vor Korrosion und Überhitzung sporadisch anzutreiben.
Die Politik hat sich auf den Übertragungsnetzbetreiber Tennet als vermeintlichen Verursacher der schleppenden Netzanbindung von Offshore-Windparks eingeschossen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kritisierte das Planungs-Chaos beim Stromanschluss. Es gebe keine aufeinander abgestimmte Gesamtplanung, für die Netzanbindung sei eine eigene Gesellschaft mit Beteiligung des Bundes überfällig. Weil wundert sich zudem, dass erst jetzt mit der Bergung der Munitions-Altlasten im Riffgat-Gebiet begonnen werde.
Bei der Firma Tennet, die dem niederländischen Staat gehört und sich um die Verlegung der Seekabel kümmert, ist das Bedauern groß: „Die Verzögerungen waren absolut nicht vorhersehbar“, beteuert Sprecherin Ulrike Hörchens. Erste Untersuchungen im Jahr 2008 hätten nur eine „handvoll auffälliger Stellen“ gezeigt. „Seit Beginn der Räumung 2012 sind jedoch mehr als 1400 Anomalien aufgetaucht: Minen, Munitionskisten und Granaten mit einem Gesamtgewicht von 28 Tonnen wurden bisher geborgen.“