Entfristung von Arbeitsverträgen: Harsche Kritik an der Post läuft ins Leere
Die Politik wird den gesetzlichen Rahmen für befristete Arbeitsverhältnisse nicht verändern.
Düsseldorf. In der ARD-Sendung „Anne Will“ lehnte sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Sonntagabend weit aus dem Fenster. Er werde die umstrittene Einstellungspraxis bei der Deutschen Post AG nicht hinnehmen, so Scholz. Vollmundig kündigte er an: „Diejenigen, die für uns im Aufsichtsrat sitzen, haben sich vorgenommen, darauf zu reagieren, die Gespräche sind schon vereinbart.“
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil setzte noch einen drauf. Die Regierung werde nicht akzeptieren, dass bei der Post als einem Unternehmen mit indirekter Bundesbeteiligung Arbeitnehmer, wenn sie zu oft krank seien, Probleme bekämen, eine unbefristete Stelle zu erhalten.
Am Montag ruderte Scholz dann zurück. Kleinlaut musste seine Sprecherin einräumen, dass es sich bei der Post um eine Aktiengesellschaft handele und dass eine Weisung des Bundes an die Geschäftsleitung in diesem Fall nicht möglich sei. Auch von einer gesetzlichen Änderung zur Eindämmung befristeter Arbeitsverhältnisse spricht im Scholz-Ministerium niemand.
Den Hintergrund der Diskussion bildet das Entfristungskonzept der Deutschen Post AG. Paketboten mit befristeten Verträgen dürfen demnach binnen zwei Jahren nicht häufiger als sechs Mal krank gewesen sein beziehungsweise nicht mehr als 20 Krankheitstage angehäuft haben. Weiter schreibt die Post vor, dass ein Mitarbeiter „höchstens zwei selbstverschuldete Kfz-Unfälle mit einem maximalen Schaden von 5000 Euro“ verursachen darf. Zudem dürfen die Paketboten in drei Monaten nicht mehr als 30 Stunden länger für ihre Touren brauchen als vorgesehen. Erfüllen sie diese Kriterien nicht, gibt es keinen unbefristeten Vertrag.
Sowohl der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) als auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bestätigen auf Nachfrage, dass das Vorgehen der Post arbeitsrechtlich nicht angreifbar ist. „Aber es ist moralisch höchst verwerflich“, so DGB-Chef Reiner Hoffmann. „Es ist an der Zeit, dass mit diesem Unfug aufgeräumt wird.“
Genau das ist von der großen Koalition aus Union und SPD aber nicht zu erwarten. Zwar haben sich die Partner darauf geeinigt, die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen zu reduzieren. Konkrete Konzepte dazu fehlen aber. Und von einem Verbot für Entfristungskriterien wie sie die Post anwendet, ist überhaupt keine Rede.
Massive Kritik kommt deshalb von Verdi. Die Gewerkschaft fordert die Regierung auf, umgehend für ein Ende der Möglichkeit sachgrundloser Befristungen von Arbeitsverhältnissen zu sorgen. „Es ist höchste Zeit, das Teilzeit- und Befristungsgesetz entsprechend zu ändern. Auch die Sachgründe gehören auf den Prüfstand“, sagt Andrea Kocsis, Vize-Chefin von Verdi. Ohne die Möglichkeit, Unternehmen die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen gesetzlich zu erlauben, hätte es die Auseinandersetzung um Entfristungskriterien nicht gegeben.
Von Verdi kommt aber auch Lob für die Post. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen gebe es zumindest ein Entfristungskonzept. Gemeinsam mit dem Betriebsrat sei die grundsätzliche Bereitschaft vorhanden, Beschäftigung ohne Befristung zu schaffen.
„Dass wir im Konzern überlegen, wer auf Dauer den Anforderungen gewachsen ist, das ist im Interesse aller Beteiligten, insbesondere der Kunden“, so ein Sprecher der Post. Die Tätigkeit des Paketzustellers sei auch körperlich anstrengend. Im Übrigen lege die Post aber keine Schablonen an, sondern berücksichtige immer das Gesamtbild. Da Zusteller im Moment dringend gesucht würden, könne man außerdem davon ausgehen, dass die Auswahl nicht nach zu strengen Kriterien erfolge.