Nach Rücktrittsankündigung Kurssturz und Führungsfrage: Air France in der Krise
Paris (dpa) - Die Fluggesellschaft Air France-KLM steckt nach der Eskalation des Tarifkonflikts in Frankreich in einer dramatischen Krise.
An der Pariser Börse stürzte die Aktie des französisch-niederländischen Unternehmens am Montag zeitweise um mehr als 13 Prozent ab, nachdem Konzernchef Jean-Marc Janaillac seinen Rücktritt angekündigt hatte. Manche sehen den Sanierungskurs der französischen Sparte Air France in Gefahr, die unter hartem Wettbewerbsdruck durch Billigflieger steht und Konkurrenten wie Lufthansa und British Airways bei der Profitabilität hinterherhinkt.
Für den Pariser Wirtschaftsminister Bruno Le Maire steht sogar das Überleben des Unternehmens auf dem Spiel. Zugleich verschärfen die Streiks in Frankreich das Missverhältnis zwischen Air France und der niederländischen Schwester-Airline KLM, die deutlich besser dasteht.
Luftfahrtexperte Michael Kuhn von der Großbank Société Générale begrub seine Hoffnung, dass die Sanierung von Air France noch gelingt. Er strich sein Kursziel um die Hälfte zusammen und riet Anlegern, ihre Papiere abzustoßen. Bei Börsenschluss am Montag lag die Aktie noch 9,8 Prozent im Minus gegenüber Freitagabend. Air France-KLM war damit insgesamt gut 3 Milliarden Euro wert. Zum Vergleich: Die Lufthansa kommt auf einen Börsenwert von fast 12 Milliarden Euro, der irische Billigflieger Ryanair sogar auf rund 19 Milliarden Euro.
Janaillac hatte im Konflikt mit den französischen Gewerkschaften hoch gepokert, als er die Air-France-Mitarbeiter zum jüngsten Gehaltsvorschlag des Managements befragen ließ. 55 Prozent stimmten dagegen, Janaillac tritt nun Mitte des Monats ab. Der Verwaltungsrat plant eine Übergangslösung für die Konzernspitze, bis ein Nachfolger gefunden ist - die Unsicherheit dürfte sich daher hinziehen.
Die Gewerkschaften fordern für die Air-France-Beschäftigten eine sofortige Gehaltserhöhung um 5,1 Prozent. Das Unternehmen hatte 2 Prozent angeboten, plus 5 Prozent über die kommenden drei Jahre. Trotz der Führungskrise begann Montag ein neuer zweitägiger Streik. Am Dienstag dürfte jede fünfte Air-France-Verbindung ausfallen, es ist der 15. Streiktag seit Ende Februar. Die Ausstände haben das Unternehmen nach eigenen Angaben schon mindestens 300 Millionen Euro gekostet. KLM ist von den Streiks nicht betroffen.
Air France-KLM hatte zuletzt Erfolge eines jahrelangen Sparkurses vorweisen können. Der operative Gewinn vor Sondereffekten legte 2017 kräftig zu. Die neue französische Mittel- und Langstreckentochter Joon soll dank niedrigerer Kosten auf besonders umkämpften Linien Marktanteile zurückerobern. „Air France war auf dem richtigen Weg“, so Minister Le Maire, der am Sonntag „ungerechtfertigte“ Gehalts-Forderungen kritisierte. Die Wirtschaftszeitung „Les Echos“ sprach von einer „nationalen Verschwendung.“
Arbeitnehmervertreter halten dagegen, dass die Gehälter seit 2011 eingefroren gewesen seien. „Man muss den Zustand der Verständnislosigkeit verstehen, der heute im Unternehmen herrscht“, sagte Philippe Evain, Chef der Pilotengewerkschaft SNPL, Radio RTL. „Nein, das Überleben von Air France steht nicht auf dem Spiel, zumindest nicht kurzfristig.“ Auf den künftigen Konzernchef wartet die schwierige Aufgabe, den sozialen Dialog wiederzubeleben - offensichtlich hatte Janaillac die Stimmung unterschätzt.
Die niederländische Sparte KLM erzielt laut dem Société-Générale-Analysten Kuhn doppelt so hohe Gewinnspannen wie ihre französische Schwester Air France. Das niederländische Finanzministerium teilte mit, dass es die Entwicklungen sehr genau beobachte. Gewerkschaftsvertreter riefen die Regierung zum Eingreifen auf: „Wir als Niederlande müssen nun entscheiden, wo wir die Grenze ziehen“, sagte der Vorsitzende des KLM-Betriebsrats, Jan Willem van Dijk. Der niederländische Staat ist mit etwa 5,9 Prozent an der Sparte KLM beteiligt, Frankreich wiederum hält gut 14 Prozent am Gesamt-Konzern.
Die gescheiterte Einigung könnte Air France-KLM weiter lähmen - und das, während der irische Billigflieger Ryanair und die neue British-Airways-Schwester Level den Wettbewerb in Frankreich weiter anheizen. Die Billigflieger unterbieten klassische Airlines seit Jahren bei den Ticketpreisen, schreiben mit niedrigeren Gehältern und Betriebskosten aber dennoch hohe Gewinne. Die Lufthansa baut deshalb ihre Billigmarke Eurowings kräftig aus. Dort verdienen Piloten und Flugbegleiter deutlich weniger als bei der Mutter-Airline.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat den Eurowings-Ausbau auch gegen Gewerkschafts-Widerstand durchgesetzt. Dabei saß er 14 Streikwellen der Piloten aus, die sich offiziell um den Konzerntarifvertrag und die Altersversorgung drehten.