Entwarnung: Keine Fluglotsen-Streiks bis Mitte Juli
Frankfurt/Langen (dpa) - Der drohende Streik der Fluglotsen ist vorerst vom Tisch, und Reisende können zumindest bis Mitte Juli aufatmen. Der Bundesvorstand der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) entschied am Donnerstag, seine Mitglieder zunächst zur Urabstimmung aufzurufen.
Das sagte ihr Sprecher Matthias Maas der Nachrichtenagentur dpa. Das Gremium hätte auch direkt und ohne vorherige Befragung den Arbeitskampf beschließen können. Die Urabstimmung werde bis Mitte Juli dauern. „Es wird in den nächsten Wochen keine Streiks geben“, sagte Maas. Auch punktuelle Warnstreiks seien ausgeschlossen.
Sollten sich die 3400 GdF-Mitglieder in der Urabstimmung für einen Ausstand entscheiden, könnten die Arbeitgeber bei der Deutschen Flugsicherung DFS immer noch die Schlichtung anrufen - damit wären Streiks dann für die Dauer des Vermittlungsversuchs ausgeschlossen.
Die Gefahr von bundesweiten Verspätungen und Flugausfällen ist aber nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Der Konflikt ist äußerst festgefahren, weil es nicht nur um mehr Geld und Einfluss, sondern auch um grundlegende Fragen der Arbeitsorganisation geht. Zum Ende der Urabstimmung Mitte Juli beginnen in vielen Bundesländern die Sommerferien - eine Eskalation des Tarifstreits könnte also mitten in die Hauptreisezeit fallen. „Wir wollen die Zeit der Urabstimmung nutzen, Mitglieder und Öffentlichkeit noch stärker über die Inhalte der laufenden Auseinandersetzungen zu informieren“, sagte Maas.
Der Leiter der DFS-Unternehmenskommunikation, Michael Kraft, sagte der dpa nach der Entscheidung: „Jeder Streik, ob nun mit oder ohne vorherige Urabstimmung, ist unverantwortlich, weil er auf dem Rücken unserer Kunden ausgetragen wird.“ Er forderte die GdF dazu auf, für eine Lösung an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Arbeitnehmerseite hatte die Verhandlungen mit der DFS am Mittwoch für gescheitert erklärt. Einen flächendeckenden Streik der deutschen Fluglotsen hatte es zuletzt Anfang der 70er Jahre gegeben.
Die Lufthansa äußerte sich ähnlich wie die DFS. „Wir beobachten den Konflikt mit großer Sorge, da die Leidtragenden eines Streiks die Fluggäste wären“, sagte eine Sprecherin von Europas größter Airline. Es wäre unverantwortlich, dass eine kleine Gruppe aus wenigen Tausend Arbeitnehmern für „Klientelpolitik“ ganze Wirtschaftsbereiche lähme.
Die Details des festgefahrenen Tarifstreits sind kompliziert: Zum einen fordert die Gewerkschaft 6,5 Prozent mehr Geld. Der Großteil der etwa 1900 DFS-Fluglotsen verdient nach Arbeitgeberangaben mehr als 100 000 Euro pro Jahr. Neben dem Einkommensplus will die GdF aber auch ihre Zuständigkeit auf weitere Berufsgruppen in der DFS ausdehnen und bestehende Beförderungsregelungen reformieren.
Eigentlicher Knackpunkt sind jedoch die Arbeitszeiten, freie Tage, Pausen und Personalpläne - kurzum: Es geht um die Kapazitätenfrage. Sie steht vor dem Hintergrund neuer Vorgaben der EU-Kommission, die die Abläufe der europaweiten Flugsicherung stärker vereinheitlichen und auf mehr Effizienz trimmen will. Für die bundeseigene DFS, der obendrein noch Lotsen fehlen, bedeutet das auch ein Zwang zu geringeren Gebühren.
Die Arbeitgeber lehnen daher eine Tarifrunde ohne Berücksichtigung der Kapazitätenfrage ab und werfen der Gegenseite vor, sich der schon beschlossenen EU-Reform zu verweigern. Die GdF hält dagegen, dass das Thema Personalengpässe in dieser Tarifrunde nicht zur Verhandlung anstehe. Eine eigentlich bis 2015 laufende Vereinbarung für bis zu 150 Überstunden pro Jahr hatte die GdF Ende 2010 gekündigt. Von 2012 an sind damit nur noch 80 Überstunden pro Jahr möglich. Die DFS fürchtet, damit massive Flugverspätungen produzieren zu müssen.