Eon prüft den Abbau von 11 000 Stellen

Düsseldorf (dpa) - Beim Energieriesen Eon stehen nach dem deutschen Atomausstieg weltweit bis zu 11 000 Arbeitsplätze auf der Kippe. Das ist bei knapp 80 000 Mitarbeitern fast jeder siebte Arbeitsplatz.

Deutschland wird wohl den Löwenanteil der Kürzungen tragen müssen.

Gewerkschaften warnten vor einem Kahlschlag und kündigten Widerstand an.

Eon-Chef Johannes Teyssen bestätigte am Mittwoch bei der Halbjahresbilanz von Deutschlands größtem Energiekonzern Überlegungen zu einem massiven Stellenabbau. Im Fokus der Personaleinsparungen soll der Verwaltungsbereich stehen. Betriebsbedingte Kündigungen schloss Teyssen nicht aus.

Die Gewerkschaft Verdi kündigte Widerstand an. Über die Hälfte der drohenden Stellenstreichungen entfalle auf Deutschland, bundesweit stünden etwa 6000 Arbeitsplätze auf der Kippe. „Es droht ein Kahlschlag bei der Beschäftigung im Konzern. Das wird unseren Widerstand hervorrufen“, sagte Bundesvorstandsmitglied Erhard Ott der dpa. Die Gewerkschaft forderte einen weiteren verbindlichen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen über 2012 hinaus.

Darüber hinaus fordert Verdi auch Zusagen des Konzerns für die Verwaltungsstandorte von Eon in Deutschland. „Wenn es keine Standortgarantien für München, Hannover und Essen gibt, wird sich mit Sicherheit bei den Belegschaften etwas tun“, meinte Ott.

Teyssen bezeichnete die Verdi-Angaben als „reine Spekulation“. Es gebe noch keine detaillierten Zahlen zu einzelnen Standorten. „Wir können solche Aussagen heute noch nicht machen.“ Entscheidungen sollen im Herbst fallen. In einer Mitteilung verwies er darauf, dass die Verwaltung vereinfacht werden müsse: „Wir können uns, nicht nur, aber vor allem in Deutschland keine unnötigen Führungsebenen, Abläufe und Doppelarbeit leisten.“ Das Management werde in diesen Tagen an verschiedenen Standorten den Hintergrund der Sparmaßnahmen erläutern.

„Die 60 Prozent sind von Eon gegenüber Verdi-Vertretern genannt worden“, hielt ein Sprecher der Gewerkschaft dagegen. Die Wortwahl „reine Spekulation“ von Teyssen sei verräterisch, denn die sogenannten Spekulationen der vergangenen Woche hätten sich leider als zutreffend erwiesen.

Die Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie (IG BCE) versuchte, die Mitarbeiter der Kraftwerkstochter in Hannover zu beruhigen. „Die Messe ist noch nicht gelesen, erst im Spätherbst fällt die Entscheidung“, betonte ein Sprecher. Zugleich warnte die IG BCE vor einem Kahlschlag: „Mit einem simplen Sparprogramm zulasten der Beschäftigten ist es nicht getan.“ Man werde nicht zulassen, dass die Jobs allein Einsparvorstellungen und den Interessen des Kapitalmarkts an einer schlankeren Struktur von Eon zum Opfer fallen.

Die Kürzungspläne verunsichern auch in Bayern Mitarbeiter des Energieriesen. „Die Stimmungslage könnte nicht schlimmer sein“, sagte der zuständige Verdi-Betreuer der Münchner Eon Energie, Jürgen Feuchtmann. Er warf Eon vor, bisher keine überzeugende Strategie für die Neuausrichtung des Unternehmens nach dem Atomausstieg vorgelegt zu haben. „Aber reflexhaftes Streichen, Kürzen und Personalabbau wird schon einmal angekündigt. Das ist nichts weiter als das fantasielose Abwälzen von Ergebniseinbrüchen auf die Beschäftigten.“ Daneben ärgert die Gewerkschafter die Informationspolitik des Konzerns. Schon seit Tagen wird über die Pläne für Standortschließungen spekuliert.

Der Eon-Vorstand präsentierte am Mittwoch die ersten roten Zahlen in der Unternehmensgeschichte. Im zweiten Quartal des laufenden Jahres stand ein Verlust von 382 Millionen Euro. Dabei sind Umbaukosten und Buchgewinne herausgerechnet. Als Gründe für den Verlust nannte der Vorstand die Folgen der Atomwende in Deutschland, ungünstige Gasbezugsverträge und geringere Erlöse im Stromhandel. Die Ergebnisbelastungen aus der deutschen Atomwende im Jahr 2011 bezifferte Finanzvorstand Marcus Schenck mit 2,5 Milliarden Euro. Der Konzerngewinn würde dadurch um 1,8 Milliarden Euro geschmälert.

Eon reagierte mit einer Gewinnwarnung: Im Gesamtjahr 2011 wird jetzt ein bereinigter Konzernüberschuss von 2,1 bis 2,6 Milliarden Euro erwartet. Bis vor kurzem war Eon noch von 3,0 bis 3,7 Milliarden Euro ausgegangen. Auch bei der Dividende gibt es einen Schnitt: Sie soll 2011 bei 1,00 Euro je Aktie liegen. Bisher hatte Eon den Aktionären eine Mindestdividende von 1,30 Euro versprochen. Eon ist als größter deutscher Atomstromproduzent besonders betroffen von der Ausstiegsentscheidung der Bundespolitik.

Teyssen kündigte an, dass der Konzern dauerhaft 1,5 Milliarden Euro pro Jahr einsparen müsse. Die volle Kostensenkung soll 2015 erreicht werden. Die Einsparungen würden nach derzeitigem Stand je zur Hälfte auf die Sachkosten und Personalkosten entfallen.

Nach Einschätzung der Grünen ist der Stellenabbau die Konsequenz einer über Jahre verfehlten Konzernpolitik. „Beharrlich hat der Konzern die Zeichen der Zeit nicht erkannt und an seinem veralteten Geschäftsmodell mit Kohle- und Atomkraftwerken festgehalten“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer. Statt den ökologischen Umbau mitzugestalten, habe Eon seine üppigen Gewinne an die Aktionäre verschenkt. Den Preis zahlten nun die Beschäftigten.