Bilanz des Energieversorgers für 2015 Eon und die schmerzhaft teure Energiewende
Nach RWE legt Eon eine verlustreiche Bilanz vor, will seinen Anteilseignern aber dennoch eine Dividende zahlen.
Essen. Fast genau fünf Jahre nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima (Seite Tagesthemen) und dem darauf folgenden deutschen Atomausstieg haben die Energiekonzerne RWE und Eon ihre Jahreszahlen vorgelegt — mit einem klaren Ergebnis: Konventionell erzeugter Strom wird immer unrentabler. Wachsende Gewinne aus Wind- und Sonnenenergie sowie Netzen und intelligenten Steuerungsanlagen können das längst nicht auffangen.
Jahrzehntelang lebten die Energiereisen bestens davon, das Stromgeschäft von der Erzeugung, über die Verteilnetze und den Handel bis zum Vertrieb zu kontrollieren. Das warf Milliardengewinne ab, die Großkraftwerke waren wahre Gelddruckmaschinen. Nun sind sie zu Sorgenkindern geworden. Der in die Netze eingespeiste Ökostrom verdrängt zunehmend den klassisch erzeugten Strom. Und die Konzerne sind zur Wende verdammt. RWE und Eon spalten sich auf und konzentrieren sich mit dem Großteil ihrer Kraft auf die neue Energie. Die Börsengänge von Uniper als Abspaltung von Eon und der RWE-Zukunftsgesellschaft sollen auch neues Geld und Investitionskraft bringen.
Doch nun musste Eon-Chef Johannes Teyssen bei der Bilanz-Pressekonferenz erst einmal ein Rekordminus verkünden. Nach einem Minus von 3,2 Milliarden Euro in 2014 sind es nun sogar fast sieben Milliarden Euro. „Unsere Kennzahlen spiegeln wider, dass sich die Branche in einem grundlegenden strukturellen Umbruch befindet, der sich in diesem Jahr ungebremst fortsetzt“, sagte Teyssen.
Und sein Finanzvorstand Michael Sen konstatierte: „Wir müssen feststellen, dass die ersten Monate des neuen Jahres keine Zeichen der Besserung unseres Marktumfeldes zeigen, sondern vielmehr weitere Eintrübungen aufweisen.“ So hätten die Großhandels-Strompreise neue Tiefststände erreicht. Zudem stehe der Gaspreis unter Druck. Hinzu komme der schwache Rubel-Kurs, der das wichtige Russland-Geschäft von Eon belastet. Das müssten künftige Investitionen und Dividenden widerspiegeln.
Während RWE zum Leidwesen der zahlreiche Anteile haltenden Kommunen seine Dividende fast komplett gestrichen hat, hält Eon aber erst einmal an seinem Dividenden-Versprechen fest. Eon hatte seinen Aktionären Ende 2014 für die Phase der Neuausrichtung für zwei Jahre eine feste Dividende zugesagt. Demnach sollen die Aktionäre wie im Vorjahr 50 Cent je Anteilsschein bekommen. „Versprochen und gehalten“, sagte Finanzchef Sen, der aber auch feststellte, dass diese Ausschüttung nicht ins aktuelle Umfeld passe. „Eins ist klar, das Versprechen, das wir halten, reflektiert nicht das Umfeld, in dem wir uns im letzten Jahr befanden.“
Schon seit dem Jahreswechsel wird das gesamte Geschäft mit großen Kraftwerken von Uniper aus Düsseldorf geführt. Das Hauptunternehmen Eon sitzt nun in Essen und konzentriert sich auf erneuerbare Energien und den Vertrieb. Die endgültige Trennung soll bei der Hauptversammlung am 8. Juni beschlossen werden, Uniper soll im Herbst an der Börse notiert sein.
Nach der Aufspaltung wird Aufsichtsratschef Werner Wenning aber nicht mehr an Bord sein. Der 69-Jährige werde sein Mandat nach der Hauptversammlung niederlegen und damit zwei Jahre früher als ursprünglich vorgesehen, teilte Eon mit. Als Nachfolger ist Karl-Ludwig Kley vorgesehen, der Ende April nach zehn Jahren als Chef beim Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck aufhört. Teyssen dankte Wenning für „über die Maßen engagierte Führung und Forderung“.
Der Eon-Vorstandschef zeigte sich besonders engagiert für die regenerative Energie. Schließlich lenkt er den neuen Teil mit dem alten Namen — Eon — und damit die Gesellschaft, die für die erneuerbaren Energien zuständig sein wird. „Erneuerbare Energien werden mehr und mehr zur führenden Säule des Energiesystems“, sagt Teyssen. Die Offshore-Windenergie (Windräder auf See) werde kräftig ausgebaut. Rund 2300 Megawatt kamen 2015 in der deutschen Nord- und Ostsee dazu. Teyssen verdeutlicht die Dimension: „Das ist so viel wie die Leistung von fünf oder sechs alten riesigen fossilen Kraftwerken.“
Auch wenn Teyssen jetzt grün trägt, hat er freilich mit der Atomenergie nicht ganz abgeschlossen. Noch wird nämlich politisch darüber diskutiert, wie die Energiekonzerne für den Rückbau der Atomkraftwerke und die Atommülllagerung in die Pflicht genommen werden. Wie kann sichergestellt werden, dass ihre Milliarden-Rückstellungen dafür ausreichen? Wie passt vor diesem Hintergrund eine Dividendenausschüttung an die Aktionäre ins Bild? Und wie weit lässt sich der Staat und damit der Steuerzahler selbst für die atomaren Altlasten in die Pflicht nehmen? Dieses in den nächsten Wochen zu entscheidende Thema wollte Teyssen am Mittwoch „nicht befeuern“.
Auch vor dem Bundesverfassungsgericht wird der Eon-Manager demnächst noch mal was zur Atomkraft sagen. Dabei geht es um die Frage, ob die Stilllegung von Atomkraftwerken nach dem Atomunfall von Fukushima eine Enteignung ist, für die er die Anteilseigner der Energiekonzerne entschädigen muss. Teyssen dazu: „Es geht mir um Gerechtigkeit: Darf man einem Bürger — wir sind im Eigentum von normalen Bürgern — über Nacht einen Teil des Vermögens wegnehmen und gleichzeitig sagen, wir fühlen uns gerade nicht danach, dass wir eine Entschädigung bezahlen?“
Der Artikel 14 des Grundgesetzes gebiete bei einer Enteignung auch eine Entschädigung. Er, Teyssen, schulde es den Eigentümern des Unternehmens, „dass ich das noch mal laut sage.“