Letzter Wille Streit ums Erbe - Opa zwingt Enkel per Testament zum Besuch
Frankfurt/Düsseldorf · Beim letzten Willen ist der Spielraum groß. Da kann es schon mal sein, dass Erben, die etwas bekommen wollen, zu Dingen gezwungen werden. Richter können sich jedoch über das Testament hinwegsetzten, wie ein aktueller Fall zeigt.
Wenn zwei Augen sich schließen, gehen viele Hände auf – so sagt der Volksmund. Und das bedeutet dann oft auch: Es gibt Streit ums Erbe. Vor allem dann, wenn das Testament nicht so eindeutig ist, wie es sich der Erblasser vielleicht vorgestellt hat. Und dann wird der eigene letzte Wille vielleicht doch nicht Realität.
Denn ein Testament muss, sobald es zum Streit kommt, von Gerichten ausgelegt werden. Besonders eindrucksvoll zeigt das ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (Az. 20 W 98/18). Es betrifft ein Testament, in dem ein Mann seine Enkel nur für den Fall zu Erben einsetzte, dass sie ihn regelmäßig besuchten.
Es ging um eine Erbschaft im Wert von etwa 250.000 Euro. Fest stand laut Testament, dass die Ehefrau des Mannes und ein Sohn die Hälfte des Erbes bekommen sollten. Doch der Erblasser hatte noch einen anderen Sohn, dem er allerdings nichts vermachen wollte. Mit diesem und seiner Schwiegertochter war er so zerstritten, dass er sogar in sein Testament schrieb, dass die beiden nur ja nicht bei seiner Beerdigung auftauchen sollten.
Bedingungen blieben unerfüllt
Nun hatte dieser ungeliebte Zweig der Familie allerdings zwei minderjährige Kinder, die dem Großvater trotz allem sehr ans Herz gewachsen waren. Darum schrieb er in sein Testament den Satz, dass die anderen 50 Prozent des Erbes „zu gleichen Teilen meine Enkel F. und E. bekommen sollen, aber nur dann, wenn sie mich regelmäßig, das heißt mindestens 6-mal im Jahr, besuchen.“
Es kam so, man ahnt es, dass die Enkel diese Besuche nicht hinbekamen. Wohl auch deswegen, weil solche Besuche von dem Willen ihres beim Opa in Ungnade gefallenen Vaters abhingen. Als Opa nun starb, sahen die beiden anderen Erben, die Ehefrau und der brave Sohn, ihre Chance, das gesamte Erbe zu bekommen. Denn die Enkel hatten ihre 50 Prozent, aufgrund welcher Zwänge auch immer, mangels Opa-Besuchen verwirkt. Dachten sie.
Doch da hatten sie die Rechnung ohne das Oberlandesgericht Frankfurt gemacht. Die Richter machten sich daran, das Testament nicht nur seinem Wortlaut nach zu lesen, sondern den Text auszulegen und rechtlich zu bewerten. Und kamen dabei zu dem Ergebnis: Die Klausel, mit der der verstorbene alte Herr das Erbe seiner Enkel von einer Besuchspflicht abhängig gemacht hatte, ist sittenwidrig und damit unwirksam. Es verstoße gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“, dass ein bestimmtes Verhalten erkauft werden soll. Unter einen solchen Druck hätte der Großvater seine Enkel nicht setzen dürfen.
Zwar gelte im Erbrecht die Testierfreiheit, das heißt, der Erblasser entscheidet selbst, an wen sein Hab und Gut gehen soll. Doch diese Testierfreiheit habe ihre Grenzen in den guten Sitten. Und gegen diese habe der Großvater verstoßen, als er einen entsprechenden Druck auf die minderjährigen Enkel ausübte, die die entsprechenden Besuche gegen eine Antihaltung ihres eigenen mit dem Opa zerstrittenen Vaters hätten durchsetzen müssen.
Aber was gilt denn dann, wenn diese Erbeinsetzung der Enkel unter der genannten Bedingung unwirksam war? Eben diese Lücke füllten die Richter durch ihre eigene Auslegung des Willens des Verstorbenen. Sie sichteten dazu auch die in die Akten aufgenommene Mailkorrespondenz der Beteiligten. Und kamen schließlich zu dem Ergebnis: Die Enkel waren dem Opa so wichtig, dass er sie wohl auch ohne die Besuchsbedingung zu Erben eingesetzt hätte. Sie bekommen also auch so die 50 Prozent des Erbes, immerhin jeder mehr als 60.000 Euro.
Der Fall zeigt, dass ein Testament neben den zu umschiffenden rein formalen Klippen (siehe Infokasten) auch inhaltlich nicht vor einer Interpretation durch Gerichte sicher ist. Einer Interpretation, die am Ende darüber entscheidet, wohin das Vermögen des Verstorbenen fließt. Und darüber, dass andere nichts oder weniger bekommen. Übrigens: Zu der Frage, wie man jemanden besonders elegant davon in Kenntnis setzt, dass er nichts erbt, gibt es diesen Juristenwitz: Der Notar verliest vor den Hinterbliebenen das Testament, darin der Satz: „… und nun zu Thomas, dem ich versprochen habe, ihn in meinem Testament zu erwähnen: Hallo Thomas, altes Haus, sei gegrüßt!“