Ernte-Start: Bauern bleiben vorsichtig für 2012
Berlin/München (dpa) - Wenn das Wetter mitspielt, brummen bald wieder die Mähdrescher. Kurz vor dem Auftakt zur Ernte 2012 sind die deutschen Bauern eher vorsichtig, was die Geschäftsaussichten für dieses Jahr angeht.
Die weltweite Nachfrage nach Lebensmitteln ist noch immer stark. Auf den Kalkulationen lasten aber steigende Kosten, vor allem für Strom. Überhaupt ist die Energiewende ein heikles Diskussionsthema, wenn sich die Landwirte von diesem Dienstag an im bayerischen Fürstenfeldbruck zum Deutschen Bauerntag treffen. Dort verabschiedet sich der langjährige Präsident Gerd Sonnleitner. Neuer oberster Landwirt soll Joachim Rukwied aus Baden-Württemberg werden.
Auf die Bauernregeln war diesmal kein Verlass. „Ist der Mai kühl und nass, füllt's dem Bauern Scheun' und Fass“, lautete die Hoffnung, nachdem viele Getreidebestände schon unter einer eisigen Frostperiode im Februar gelitten hatten. Doch dann war auch der Frühling in vielen Regionen sehr trocken. „Es wird keine Spitzenernte werden“, lautet schon jetzt die Prognose des Bauernverbands, wie Sprecher Michael Lohse sagt. Vor allem in Ostdeutschland gebe es bei Gerste und Weizen ziemliche Trockenschäden, beobachtete auch der Raiffeisenverband.
Die Wetterkapriolen schlugen teils hart ins Kontor. Etliche Felder mussten nach dem Winter umgepflügt werden, fürs Nachsäen wurden leicht Extrakosten von 500 Euro pro Hektar fällig. Vor allem bei Mais sind Experten aber optimistisch, dass die Pflanzen noch aufholen können. Der Raiffeisenverband, der 2500 Genossenschaftsbetriebe mit 48 Milliarden Euro Umsatz vertritt, rechnet dennoch mit steigendem Importbedarf und stark schwankenden Preisen bei Getreide.
Dabei haben die meisten Höfe inzwischen eine relativ robuste Basis. Nach zwei Krisenjahren wurde in der Landwirtschaft zuletzt wieder besser verdient. Der Gewinn, der als Durchschnittseinkommen je Arbeitskraft gemessen wird, stieg 2010/11 auf 30 200 Euro nach 22 500 Euro im Jahr zuvor. Sogar bei Schweinezüchtern - lange Sorgenkinder der Branche - hellte sich die Lage auf, auch wenn nicht alle Verluste ausgeglichen sind. Allerdings blicken Höfe aller Sparten sorgenvoll auf die Kostenseite, wenn Strom und Düngemittel teurer werden und oft auch Land beim Aushandeln neuer Pachtverträge.
Das liegt auch an der Energiewende, die die Agrarbranche stark beschäftigt. Denn es verknappt die Anbauflächen weiter, wenn neue Hochspannungsmasten auf die Felder kommen oder entlang von Autobahnen Solarkollektoren aufgestellt werden. Andererseits entwickelt sich die Bioenergie auch zu einem weiteren großen Geschäftsfeld.
Überhaupt durchlebt die Landwirtschaft schon seit längerem einen Strukturwandel. Die Zahl der bäuerlichen Betriebe hierzulande sinkt seit Jahren und liegt nun bei 300 000. Diversifikation heißt längst die Devise. Ob Biogasanlage, Hofladen, Umstellung auf Ökolandbau oder Urlaub auf dem Bauernhof - besonders kleinere Familienbetriebe versuchen, ihre Existenz auf mehrere Standbeine zu stellen.
Gerade kleine Höfe sind es aber oft, die ganz aufgeben müssen. Für die einen lohnt es sich nicht mehr, bei anderen fehlt ein Nachfolger. „Entweder sind keine Kinder da, oder die Söhne und Töchter haben andere Berufe ergriffen“, sagt der stellvertretende Generalsekretär des Bayerischen Bauernverbands, Georg Wimmer. Flächen sind knapp und teuer, Expansion kaum möglich. „Wer vor zwei Jahren noch viele Aktien hatte, geht jetzt in Grund und Boden, um Sicherheit zu bekommen.“
Unverständlich finden viele daher die Pläne von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos, die Branche bei der Reform der milliardenschweren EU- Agrarfinanzierung ab 2014 „grüner“ zu machen. Bauern sollen sieben Prozent ihrer Äcker als Öko-Ausgleichsfläche ausweisen, um die vollen Zahlungen zu bekommen. „Wie das zusammengeht mit der Notwendigkeit, mehr als sieben Milliarden Menschen in der Welt zu ernähren und gleichzeitig mit Hilfe der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung die Energiewende abzufedern, kann wahrscheinlich nur Herr Ciolos erklären“, sagt der Generalsekretär des Bauernverbands, Helmut Born.