EU kippt deutsche Steuer-Erleichterungen
Brüssel (dpa) - Auf Druck aus Brüssel darf Deutschland Unternehmen bei der Firmensanierung nicht länger Steuervergünstigungen einräumen. Deutschland muss die „Sanierungsklausel“ ändern und von Investoren Geld zurückfordern, entschied die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel.
Künftig darf der deutsche Fiskus bei Firmenkäufen nicht mehr unbegrenzt Verluste steuermindernd anrechnen.
Damit kippten die EU-Experten ein wesentliches Element der deutschen Unternehmensbesteuerung, das in der Finanzkrise eingeführt wurde. Die sogenannte „Sanierungsklausel“ ist ein Eckpfeiler des Gesetzes, mit dem die Bundesregierung das Wachstum ankurbeln will. EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia hatte im Februar 2010 eine Prüfung eingeleitet, nachdem die befristet eingeführte Regel in eine unbegrenzte umgewandelt worden war.
Das Bundesfinanzministerium ließ das weitere Vorgehen zunächst offen. Die Entscheidung werde geprüft und dann bewertet, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Er verwies darauf, dass die Anwendung der strittigen Regelung nach Zweifeln der EU-Kommission bereits im April 2010 ausgesetzt worden sei.
„Die Entscheidung der Kommission ist absolut nicht nachvollziehbar“, sagte der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU- Fraktion, Klaus-Peter Flosbach (CDU). Völlig unnötig erschwere es die Kommission notleidenden Unternehmen, Arbeitsplätze zu erhalten.“ Unternehmenssanierungen sollten weiter erleichtert werden. Flosbach: „Davon rücken wir nicht ab.“
Die Kommission wertet die Regel als illegale Beihilfe. Innerhalb von zwei Monaten muss Berlin eine Liste der Begünstigten und den Gesamtbetrag an bislang gezahlten Beihilfen nach Brüssel melden. Zugleich kritisierten die Wettbewerbshüter in ungewohnt deutlichen Worten die Bundesregierung, die die Klausel nicht in Brüssel zur Genehmigung angemeldet habe: „Die Kommission erfuhr davon über Presseberichterstattung.“
Nach Ansicht der EU-Behörde benachteiligt die Steuervergünstigung gesunde Firmen und verschafft den Käufern einen klaren Vorteil. „Die Sanierungsklausel ist gleichbedeutend mit einer finanziellen Unterstützung von Unternehmen in Schwierigkeiten“, sagte Almunia. In solchen Fällen sollte der Staat jedoch Rettungs- oder Umstrukturierungsbeihilfen gewähren.
Die Klausel ermöglicht es Firmen, die zahlungsunfähig oder überschuldet sind, ihre Verluste gegen die Steuern auf den Gewinn künftiger Jahre zu verrechnen („Verlustvortrag“). Dies ist trotz eines Eigentümerwechsels möglich. Die Kommission betonte, dass ihre Entscheidung nicht den Verlustvortrag im Steuersystem, der auf alle Steuerzahler anwendbar sei, infrage stelle.