Eurozone im Aufschwung EU-Kommission hebt Wachstumsprognose an
Brüssel (dpa) - Europa lässt die Finanzkrise hinter sich. Die EU-Kommission hob ihre Wachstumsprognose für 2017 am Donnerstag erheblich an, für die Europäische Union sowie für die Eurozone. Auch bei den Arbeitslosenzahlen und den öffentlichen Haushalten sieht die Brüsseler Behörde positive Trends.
Um künftigen Krisen vorzubeugen, könnte dies eine fast einmalige Gelegenheit für politische Reformen sein. Doch US-Präsident Donald Trump, der Brexit und stagnierende Löhne bereiten auch Sorgen.
Für das laufende Jahr rechnet die EU-Kommission nun in den 19 Staaten des gemeinsamen Währungsgebiets damit, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,2 Prozent zulegt. Im Frühjahr hatte sie noch ein Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent erwartet. Für die gesamte EU erwartet sie gar 2,3 Prozent (Frühjahrsgutachten: 1,9 Prozent). Im Jahr 2018 soll die Wirtschaft sowohl in der Eurozone als auch in der gesamten EU um 2,1 Prozent wachsen, 2019 um 1,9 Prozent.
Deutschland liegt bei den Wachstumsaussichten im Durchschnitt. Für 2017 erwartet die EU-Kommission 2,2 Prozent, 2018 2,1 Prozent und 2019 2,0 Prozent. Die Bundesrepublik profitiere dabei vor allem von der Binnennachfrage, der Erholung der Eurozone sowie robustem Welthandel. Damit deckt sich die Erwartung der Brüsseler Behörde in etwa mit dem der „Wirtschaftsweisen“. Der Sachverständigenrat hatte am Mittwoch für 2017 ein Wachstum von 2,0 Prozent und von 2,2 Prozent für 2018 prognostiziert.
„Nach fünf Jahren moderater Erholung hat sich das Wachstum in Europa nun beschleunigt“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. Er warnt jedoch: „Die Mitgliedstaaten müssen entschlossen handeln, um dafür zu sorgen, dass die wirtschaftliche Erholung anhält und die Früchte des Aufschwungs gerecht verteilt werden. Außerdem müssen wir strukturell zusammenwachsen und den Euroraum stärken, damit er besser für künftige Schocks gewappnet ist.“
Mit Blick auf den Euro-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Dezember hatte die Debatte um eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion in den vergangenen Wochen an Fahrt gewonnen. Im Gespräch ist unter anderem, den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu einem europäischen Währungsfonds auszubauen, der etwa auch als sogenannte Letztsicherung bei Bankenschieflagen einspringen könnte. Zudem wird verstärkt über die Einführung eines europäischen Sicherungssystems für Bankguthaben diskutiert, das bereits seit 2015 im Gespräch ist. Hier hat vor allem Deutschland noch große Bedenken.
Die EU-Kommission sieht daher die wirtschaftliche Erholung noch nicht auf festem Grund. Wirtschaftswachstum und Inflationsentwicklung seien nach wie vor auf flankierende Maßnahmen angewiesen, etwa der Europäischen Zentralbank (EZB). Für 2017 erwartet die EU-Kommission nun eine Inflationsrate von 1,5 Prozent in der Eurozone. Im kommenden Jahr sollen es 1,4 Prozent sein, 2019 dann 1,6 Prozent. Damit würde jeweils das Ziel der EZB, die eine Teuerungsrate von knapp zwei Prozent als Ziel ansieht, weiterhin verfehlt. Ein klares Signal, die lockere Geldpolitik zu zügeln, gäbe es damit nicht.
Sorgen bereiten zudem die nach wie vor hohen Schulden in Europa. Die Schuldenquote - also das Verhältnis der Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) - soll 2017 auf 89,3 Prozent und 2018 auf 87,2 Prozent sinken. Damit lägen sie allerdings immer noch weit von der eigentlich zulässigen 60-Prozent-Grenze entfernt.
Insgesamt bestehen weiter deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Staaten. Im Sorgenkind Italien soll das Wirtschaftswachstum 2017 zwar kurzfristig auf 1,5 Prozent anziehen, in den Folgejahren sich jedoch wieder deutlich abschwächen (2018: 1,3 Prozent; 2019: 1,0 Prozent).
Für das hoch verschuldete Griechenland schraubte die EU-Kommission ihre Wachstumsprognose für 2017 deutlich zurück und geht nun von 1,6 Prozent aus (Frühjahrgutachten: 2,1 Prozent). Das liegt vor allem am schwachen Binnenkonsum in dem Land. In den kommenden beiden Jahren soll das Wachstum allerdings auf jeweils 2,5 Prozent ansteigen. Auch die Verschuldung soll zurückgehen. Offen ist allerdings, ob Griechenland Mitte 2018 ohne weitere Komplikationen das derzeit laufende Hilfs- und Kreditprogramm der internationalen Geldgeber abschließen kann.
Überdurchschnittliches Wachstum dürften laut Prognose mit mehr als 3 Prozent im kommenden Jahr etwa Irland, Spanien, Zypern und Slowenien vorweisen.