EU kommt Frankreich bei Freihandelsabkommen mit USA entgegen

Luxemburg/Berlin (dpa) - Die EU-Staaten haben sich nach längerem Streit auf Verhandlungen mit den USA für die Entstehung der weltgrößten Freihandelszone geeinigt.

Am späten Freitagabend setzte sich Frankreich bei den Gesprächen mit der Forderung durch, Film, Musik und andere Medien aus dem Verhandlungsmandat für die EU-Kommission auszuschließen. Paris fürchtet, dass seine Kulturindustrie Nachteile etwa gegenüber Hollywood in Kauf nehmen müsste, wenn beim Abschluss eines Freihandelsabkommens zum Beispiel Subventionen wegfallen.

Die Mehrheit der anderen EU-Mitglieder, darunter auch Deutschland und Großbritannien, erreichte aber, dass die EU-Kommission im Laufe der Verhandlungen vorschlagen kann, auch diesen „audiovisuellen“ Bereich wieder einzubeziehen. Das wäre allerdings nur einstimmig möglich. „Frankreich müsste zustimmen“, sagte die französische Handelsministerin Nicole Bricq nach dem Ministertreffen.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zeigte sich in einer Videobotschaft am Samstag erleichtert über die Einigung. „Dies zeigt, dass dort, wo ein Wille ist, auch ein Weg ist.“ Barroso sicherte zu, dass die EU-Kommission die Verhandlungen vorantreiben werde: „Wir werden schnell arbeiten und dabei garantieren, dass die Substanz stimmt.“

Mit der Einigung der Regierungen auf das EU-Verhandlungsmandat wird auch der Weg für die beim G8-Gipfel an diesem Montag in Nordirland zusammentreffenden Europäer und Amerikaner der Weg frei gemacht, um offiziell den Beginn der Verhandlungen zu erklären. Die Gespräche sollen 2015 abgeschlossen werden. Die Freihandelszone soll nicht nur Zollgrenzen einreißen, sondern auch gemeinsame Standards schaffen. Die deutsche Autoindustrie beziffert allein die Zoll-Gebühren für den Export von Kfz-Teilen aus Deutschland in die USA nach Angaben vom Samstag auf 100 Millionen Euro jährlich.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will mit US-Präsident Barack Obama bei seinem Besuch in der kommenden Woche in Berlin die Planungen für eine große transatlantische Freihandelszone forcieren. Sie sehe bei den Zielen keine Differenzen mit Obama, sagte Merkel am Samstag in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. „Deshalb können wir vielleicht sehr bald auch mit den Verhandlungen beginnen.“

Die Grünen im Europaparlament kritisierten die fehlende Transparenz bei den Verhandlungen. Die handelspolitische Sprecherin Ska Keller mahnte, Handelsabkommen benötigten eine breite öffentliche Diskussion: „Dafür muss die Zivilgesellschaft aber die Dokumente einsehen können und in die Verhandlungen eingebunden werden.“ Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Renate Künast, warnte davor, durch das Freihandelsabkommen soziale und ökologische Standards etwa beim Klimaschutz abzuschwächen.

Die Staatssekretärin im deutschen Wirtschaftsministerium, Anne Ruth Herkes, erklärte nach den Verhandlungen: „Wir hätten uns ein robusteres Mandat vorgestellt. Aber das war nicht möglich: Wir haben einem Mitgliedstaat Zugeständnisse machen müssen.“ Wichtig sei aber, „dass Amerika ein positives Signal aus Europa bekommt.“

„Wir haben ein gutes Ergebnis erzielt“, sagte die Französin Bricq. „Frankreich ist von seiner Haltung nicht abgewichen. Man könnte sagen, dass wir auf ganzer Linie gewonnen haben. Aber ich will nicht zu laut frohlocken, das wäre nicht angebracht.“ Frankreichs Regierungschef Jean-Marc Ayrault hatte zuvor ein Veto angedroht, falls die „kulturelle Ausnahme“ nicht auch für die Freihandelsgespräche mit den USA gelten solle.

Barroso betonte, die Freihandelszone bedeute für die EU nicht nur einen Anstieg der Wirtschaftsleistung um 120 Milliarden Euro pro Jahr und 400 000 neue Arbeitsplätze. Jeder einzelne Haushalt werde in der Höhe von 545 Euro pro Jahr entlastet: „Dies ist das billigste Ankurbelungsprogramm, das man sich vorstellen kann.“