EU straft Defizitsünder Ungarn ab

Brüssel (dpa) - Hohes Defizit und kaum Sparbemühungen: Die EU entzieht Ungarn als Strafe für eine unsolide Haushaltspolitik knapp eine halbe Milliarde Euro Fördergelder.

Das gebeutelte Euro-Land Spanien wird hingegen für angeschobene Reformen belohnt und darf in diesem Jahr mehr neue Schulden machen als ursprünglich erlaubt. Allerdings auch nicht soviel, wie Madrid wollte.

Derweil wird die von Deutschland und Frankreich geforderte Einführung einer Steuer auf Finanzgeschäfte in der gesamten EU immer unwahrscheinlicher. Angesichts der Blockade von Großbritannien suchen die Länder nun nach neuen Wegen - das könnte eine andere Form der Besteuerung oder eine Lösung im kleineren Kreis sein. Details seien noch zu klären. „Man muss sich anschauen, welche verzerrenden Effekte es gibt“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti in Rom.

Alternativen könnten nach Auffassung von EU-Politikern die britische Aktiensteuer („Stempelsteuer“), die aber weniger Geschäfte umfasst, oder eine Steuer nur auf Profite und Boni von Finanzinstituten sein. Bis Juni sollen die EU-Kommission und die Minister nun Kompromisse ausloten.

Die Mittel für Ungarn - 495 Millionen Euro aus dem sogenannten Kohäsionsfonds, mit dem vor allem Umwelt- und Verkehrsprojekte finanziert werden sollten - sollen vom 1. Januar 2013 an eingefroren werden. Allerdings wurde die Strafe quasi zur Bewährung ausgesetzt: Ungarn kann die Entscheidung noch abwenden, wenn es bis September neue Sparmaßnahmen vorlegt. Das Land unternimmt nach Ansicht der EU-Partner zu wenig, um sein Haushaltsloch in den Griff zu bekommen. Seit seinem EU-Beitritt 2004 hält es die Maastricht-Obergrenze nicht ein. Ungarn sei aber bereit, sein Defizit in dem von der Union gewünschten Tempo und Ausmaß zu reduzieren, zitierte die amtliche Nachrichtenagentur MTI Wirtschaftsminister György Matolcsy.

Spanien waren die Euro-Finanzminister beim Defizitziel entgegen gekommen. Die Finanzminister vereinbarten in Brüssel, die Marke von ursprünglich 4,4 Prozent der Wirtschaftsleistung auf 5,3 Prozent anzuheben. Die neue spanische Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte allerdings wegen der Wirtschaftskrise 5,8 Prozent vorgeschlagen. Die Differenz von einem halben Prozentpunkt zwingt das Land zu zusätzlichen Sparmaßnahmen im Umfang von 5 Milliarden Euro.

Italiens Regierungschef Monti warnte vor einem Nachlassen im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise. Er lobte den kürzlich unterzeichneten europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin. Auf die Frage, ob Italien bei der Bewältigung der Schuldenkrise über den Berg sei, sagte Merkel in Rom: „Europa ist insgesamt noch nicht völlig über den Berg. Und ich vermute, dass sich in den nächsten Jahren neue Berge zeigen werden.“

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und sein französischer Amtskollege François Baroin sind hingegen optimistisch, dass die Schuldenkrise nicht noch einmal hochkocht. „Ich glaube, dass wir eine überwiegende Chance haben, also mehr als 50 Prozent, dass wir das Schlimmste hinter uns haben“, sagte Schäuble am Dienstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung zur Zukunft der Eurozone in Paris. Baroin machte keinerlei Einschränkungen. „Für mich ist die Antwort Ja“, sagte er auf die Frage, ob die schlimmste Phase der Krise nun vorbei sei.

Unterdessen hat die Ratingagentur Fitch hat die Bonität des hochverschuldeten Griechenlands als Reaktion auf den unlängst vollzogenen Schuldenschnitt wieder deutlich angehoben. Die Kreditwürdigkeit des Euro-Mitglieds steigt um vier Noten vom teilweisen Zahlungsausfall („restricted default“) auf „B-“, wie die Agentur am Dienstag mitteilte. Fitch hatte ein entsprechendes Vorgehen schon vor mehreren Wochen angekündigt, sollte die Umschuldung Griechenlands gelingen.

Die Entspannung in der Euro-Krise beflügelt auch die Börsen. Der Dax knackte am Dienstag erstmals seit dem Sommer 2011 wieder zeitweise die Marke von 7000 Punkten. Positive Signale kamen auch vom Anleihemarkt: Italien und Belgien konnten sich zu günstigeren Konditionen als noch vor wenigen Wochen frisches Geld besorgen. Der Kurs des Euro gab allerdings etwas nach.