EU will Telefonieren im Ausland billiger machen
Brüssel (dpa) - Reisende in Europa sollen künftig weniger für Handy-Gespräche und mobiles Internet zahlen. Die EU-Kommission legte am Mittwoch einen Vorschlag auf den Tisch, der dazu den Wettbewerb auf dem europäischen Mobilfunkmarkt ankurbeln soll.
„Heute funktioniert der Markt nicht“, sagte EU-Kommissarin Neelie Kroes am Mittwoch in Brüssel. Zu viele Urlauber schalteten aus Angst vor hohen Telefonrechnungen ihr Handy aus, wenn sie Grenzen überschreiten. Das müsse aufhören. „Ein Mobiltelefon muss mobil sein.“
Die Kommission will den teuren Roaming-Gebühren den Riegel vorschieben, indem sie für mehr Wettbewerb sorgt. Nach dem Willen der Brüsseler Behörde sollen Verbraucher ab 2014 zwei Handy-Verträge abschließen können - einen mit ihrem Anbieter Zuhause und einen zweiten für Reisen ins EU-Ausland.
Im besten Fall soll der zweite Vertrag deutlich billigere Roaming-Dienste zulassen. Ihre Nummer sollen Kunden behalten können. Roaming-Gebühren fallen für Gespräche an, die ein Handy-Besitzer außerhalb des eigenen Netzes im Ausland führt. Brüssel will, dass diese Roaming-Kosten langfristig ganz entfallen.
Der neue Vorschlag soll mehr Betreiber auf den Markt locken und Verbrauchern damit günstigere Preise und bessere Dienstleistungen bescheren. Das sei sinnvoller, als „ewig Preise zu regulieren“, sagte Kroes. Brüssel hatte bisher darauf gesetzt, Jahr für Jahr Preisobergrenzen für Roaming zu verordnen. Doch die Verbraucherpreise blieben stets knapp unter den aus Brüssel diktierten Preisgrenzen.
Damit nun mehr - und vor allem kleine Anbieter - leichter Zugang zum Markt bekommen, will die Kommission Betreiber verpflichten, ausländischen Konkurrenten Zugriff auf das eigene Netz zu gewähren. Ein deutscher Anbieter könnte damit Roaming-Dienste in Spanien anbieten, obwohl er dort keine nationalen Dienste anbietet.
Außerdem sollen die Großhandelspreise weiter gedeckelt werden. Also die Preise, die sich Betreiber gegenseitig in Rechnung stellen, wenn fremde Anbieter auf ihr Netz zurückreifen. Sie sollen, anders als bisher, auch für „virtuelle Betreiber“ gelten - Unternehmen, die kein eigenes Mobilfunknetz haben, etwa Supermarktketten.
Erstmals soll es mit dem neuen Vorschlag auch gedeckelte Preise für das mobile Internet geben. Verbraucher, die im EU-Ausland E-Mails oder Webseiten über ihr Handy aufrufen, sollen von Juli 2012 an pro Megabyte maximal 90 Cent zahlen. Bis 2014 soll der Höchstpreis auf 50 Cent pro Megabyte fallen. Heute zahlt man im Schnitt 2,60 Euro. Mit dem Vorschlag sinken die Preise für das Daten-Roaming, „die den Betreibern derzeit phänomenale Gewinnspannen bescheren“, so Kroes.
Der deutsche IT-Branchenverband BITKOM kritisierte das vorgehen als „scharfe Markteingriffe“. Die Preise beim grenzüberschreitenden Datenverkehr seien auch ohne Preisregulierung Jahr für Jahr gefallen, argumentierte der Verband. Die Netzbetreiber müssten zugleich in den kommenden Jahren zweistellige Milliardenbeträge in den Ausbau der Hochgeschwindigkeitsnetze investieren. „Jetzt dem Markt hohe Summen zu entziehen, gefährdet die Ziele beim Breitbandausbau“, kritisierte der BITKOM. „Was nutzen günstige Mobilfunkpreise, wenn der Netzausbau auf der Strecke bleibt und man keine Verbindung hat?“
Der Roaming-Markt bring Betreibern viel Geld ein: 2009 machten sie nach EU-Angaben nur mit diesem Dienst europaweit nahezu fünf Milliarden Euro Umsatz. Das sind etwa vier Prozent des gesamten EU-Mobilfunkmarktes.
Bis Verbraucher tatsächlich von mehr Wettbewerb profitieren, diktiert Brüssel weiterhin Preisobergrenzen - als „Sicherheitsnetz“ bis 2016. Für Anrufe mit einem deutschen Handy aus einem anderen EU-Land sollen ab 2014 noch 24 Cent pro Minute anfallen (plus Mehrwertsteuer), für eingehende Anrufe 10 Cent.
Mobilfunkanbieter sind seit 2007 verpflichtet, Roaming-Gebühren Jahr für Jahr zu senken. Die Reglung aus Brüssel läuft 2012 aus, soll aber nun bis 2016 verlängert werden. Den Vorschlag der Kommission müssen noch das Europaparlament und die Mitgliedsstaaten absegnen. Zuletzt hatte Brüssel zum 1. Juli die Roaming-Kosten gesenkt.