Euro-Finanzchefs wollen Milliarden für Athen freigeben
Brüssel (dpa) - Nach neuen Sparzusagen kann Griechenland auf die Rettung vor der Staatspleite in letzter Minute hoffen. Das seit langem geplante zweite Hilfspaket von mindestens 130 Milliarden Euro wollen die Euro-Finanzminister an diesem Montag in Brüssel auf den Weg bringen.
Über Details wurde auch am Wochenende noch verhandelt, wie EU-Diplomaten berichteten. Es sei aber die Zuversicht gewachsen, dass das Paket beschlossen werde. Griechenland hatte zuvor wesentliche Bedingungen der Euro-Länder erfüllt. Dazu gehörte die Zustimmung des Parlaments und der Chefs der großen Parteien zu den Sparzielen sowie zusätzliche Sparmaßnahmen von 325 Millionen Euro. Die Athener Regierung verabschiedete am Samstag auf einer Sondersitzung eine Reihe von Gesetzesentwürfen zur Anwendung des von der EU verlangten Sparkurses. So werden höhere Renten gekürzt und die Mindestlöhne gesenkt.
Das Hilfspaket ist auch Voraussetzung für den Schuldenschnitt mit den privaten Gläubigern wie Banken und Versicherungen. Dadurch sollen Athens Schulden um rund 100 Milliarden Euro sinken.
Als Gegenleistung für neue Milliardenkredite muss sich Athen einer schärferen Kontrolle unterwerfen. Dem Vernehmen nach hat Athen eine zentrale deutsche Forderung akzeptiert. So werden die Finanzminister am Montag voraussichtlich beschließen, ein Sperrkonto zur Rückzahlung von Krediten einzurichten.
Darauf soll ein Teil der Staatseinnahmen fließen, der für Zins und Tilgung der neuen Kredite verwendet wird - und den Athen nicht mehr für andere Ausgaben nutzen kann. Damit gibt die Regierung faktisch einen Teil ihrer Haushaltssouveränität ab.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte, in der Eurogruppe bestehe Einigkeit darüber, dass es ein solches Sonderkonto geben wird. „Das Konto stellt eine Priorität für den Schuldenabbau sicher“, sagte er dem „Tagespiegel“ (Sonntag). Weitere Überwachungsmaßnahmen würden beraten, hieß es in Brüssel.
Die Idee eines Sparkommissars, der über die Einhaltung der Beschlüsse wacht, scheint aber vom Tisch. „Darüber wird nicht diskutiert“, sagte Griechenlands Regierungschef Lucas Papademos. Es gebe bereits Mechanismen zur Überwachung der Sparzusagen.
Beim Schuldenschnitt gibt es bereits eine grundsätzliche Einigung. Der tatsächliche Effekt ist aber noch offen, weil nicht klar ist, wie viele Gläubiger bei dem Forderungsverzicht tatsächlich mitziehen. Wenn nicht genügend von ihnen mitmachen, ist es wahrscheinlich, dass Athen diese Gläubiger per Gesetz über eine nachträgliche Änderung der Anleihebedingungen dazu zwingen könnte.
Damit die Notenbanken und die Europäische Zentralbank (EZB) - die milliardenschwere Griechenland-Anleihen halten - von dem erzwungenen Schuldenerlass nicht betroffen sind, tauschen sie ihren Bestand an griechischen Anleihen in neue Papiere mit anderen Kennnummern um.
Allerdings gibt es noch Zweifel, ob die Hilfsmaßnahmen für Athen ausreichen. Hinter den Kulissen werden die Euro-Kassenhüter auch über zusätzliche Maßnahmen diskutieren, um Griechenland zu einem tragbaren Schuldenniveau zu verhelfen.
So könnte etwa die Zinsmarge für die Rückzahlungen aus dem ersten Hilfspaket für Athen gesenkt werden. Bereits im Mai 2010 hatten die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds (IWF) Griechenland mit Krediten von 110 Milliarden Euro vor der Staatspleite bewahrt.
Schäuble appellierte an die griechische Regierung, Hilfsangebote anzunehmen. „Wir stehen seit geraumer Zeit bereit, den Griechen mit Finanzbeamten beim Aufbau einer effizienteren Steuerverwaltung zu helfen. Das Angebot wird bis heute nicht genutzt“, sagte Schäuble. dem „Tagesspiegel“.
Die „Welt am Sonntag“ schrieb unter Berufung auf ein internes Arbeitspapier des Bundeswirtschaftsministeriums: „Eine vorläufige Bilanz des deutschen Unterstützungsangebotes fällt ernüchternd aus“. Das Papier zähle Beispiele auf: So verliefen die Gespräche über den Aufbau einer Förderbank nach dem Vorbild der deutschen KfW nur schleppend. Die Fachleute forderten daher, die EU-Kommission solle die verbesserte Zusammenarbeit mit der EU-Task-Force „in den Anforderungskatalog für das zweite Griechenland-Hilfspaket aufnehmen.“
Tausende Griechen protestierten wieder gegen die Sparmaßnahmen. Am Sonntag folgten nach Rundfunkberichten etwa 3000 Menschen einem Aufruf der Gewerkschaften zu einer Kundgebung im Zentrum der Hauptstadt. „Die Sparbeschlüsse bedeuten eine Provokation für die Arbeiter, die Arbeitslosen und die Rentner“, betonte der Vorsitzende des griechischen Gewerkschaftsverbandes, Jannis Panagopoulos. „Die Löhne und Renten werden gekürzt, die Rechte der Arbeitnehmer werden beschnitten, und es wird gegen die Tarifverträge und gegen die Verfassung verstoßen.“