Eurobonds bleiben für Deutschland tabu
Berlin/Brüssel (dpa) - Gemeinsame europäische Staatsanleihen bleiben für Deutschland tabu - trotz der hochnervösen Märkte und immer schlechterer Finanzierungsbedingungen für etliche Euroländer.
„Die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung teilen den Glauben vieler, dass Eurobonds jetzt eine Art Allheilmittel für die Krisen wären, nicht“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Sie sehen vielmehr die Gefahr, dass solche Eurobonds davon ablenken könnten, an die Wurzel des Übels zu gehen.“ Auch der Koalitionspartner FDP lehnt eine Vergemeinschaftung von Schulden im Euro-Raum als „Zinssozialisierung“ ab, wie deren Generalsekretär Christian Lindner in Berlin sagte.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso will an diesem Mittwoch seine Vorschläge für Eurobonds präsentieren, die angeschlagenen Euroländern die Aufnahme von Schulden zu auskömmlichen Konditionen erleichtern sollen. Auf die Frage, wie die Kanzlerin konkret zu Barrosos Vorschlägen stehe, antwortete Seibert, die Regierung beurteile die Vorschläge dann, wenn sie sie gründlich studiert habe. An diesem Donnerstag will Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Treffen mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkzoy und dem neuen italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti voraussichtlich in Straßburg über Barrosos Vorschläge sprechen.
Der Eurogruppen-Vorsitzende, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, verlangte derweil, Deutschland möge sich für Eurobonds aufgeschlossener zeigen. „Man sollte den Vortritt der Euro-Anleihen auf seine Verdienste hin überprüfen und ihn nicht von vornherein zu einem Unding erklären“, sagte Juncker in Mainz. Er forderte ein „Mehr an Europa“ angesichts der Euro-Schuldenkrise und warnte vor aufkommender „Kleinstaaterei“.
Barroso sagte in Brüssel: „Wir glauben, dass dann, wenn es genügend Integration, Konvergenz und Disziplin gibt, sinnvoll ist, eine Art von Stabilitätsanleihen in Europa zu haben.“ Barroso kritisierte offenkundig auch Deutschland, ohne es namentlich zu nennen: „Es waren die europäischen Regierungen - übrigens auch einige Regierungen, die sich als Inbegriff der Tugendhaftigkeit darstellen - die gegen die Disziplin verstoßen haben.“ Deshalb sei es jetzt nötig, „Stabilitätsanleihen“ mit noch stärkerer Kontrolle der Haushaltsdisziplin zu verbinden.
Mit welchen Problemen Euroländer an den hochnervösen Kapitalmärkten zu kämpfen haben, zeigten am Montag kritische Bemerkungen der Ratingagentur Moody's zur Schuldensituation Frankreichs, die für Turbulenzen sorgten. Der Risikoaufschlag für französische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren stieg dabei erneut deutlich an. Auch Spanien, Italien und Griechenland leiden unter zum Teil erheblich erhöhten Zinsen.
Im wöchentlichen Kreditbericht der Ratingagentur wird ausgerechnet darauf hingewiesen, dass die steigenden Refinanzierungskosten des französischen Staates den dringend notwendigen Defizitabbau weiter erschweren könnten. Ein Risikoaufschlag in Höhe von einem Prozentpunkt koste einen Staat rund drei Milliarden Euro pro Jahr, scheibt Moody's-Analyst Alexander Kockerbeck. Explizit verweist er dabei auf den Unterschied zwischen den beiden „AAA“-Ländern Deutschland und Frankreich, der in der vergangenen Woche mit mehr als zwei Prozentpunkten ein Rekordniveau erreichte.
„Die Verschlechterung der Schuldensituation und mögliche neue Verpflichtungen belasten die französische Kreditwürdigkeit und den stabilen Ausblick“, kommentierte Kockerbeck. Die Note „AAA“ selbst sei derzeit aber nicht direkt in Gefahr.
Vor knapp zwei Wochen hatte die Ratingagentur Standard & Poor's für Turbulenzen an den Finanzmärkten gesorgt, nachdem sie nach eigenen Angaben versehentlich die Bewertung Frankreichs gesenkt hatte. Moody's hatte Mitte Oktober angekündigt, das Rating Frankreichs drei Monate lang genau unter die Lupe zu nehmen.
Derweil kauft die Europäische Zentralbank (EZB) weiter Staatsanleihen angeschlagener Euro-Länder. Nach rund 4,48 Milliarden Euro in der vorvergangenen Woche lag der Wert in der abgelaufenen Woche bei 7,99 Milliarden Euro, wie die EZB in Frankfurt mitteilte. Die gesamten Anleihekäufe summieren sich damit nunmehr auf 194,5 Milliarden Euro. Die Notenbank hatte im Frühjahr 2010 mit dem Kauf griechischer Staatstitel begonnen und zuletzt auch Papiere aus Italien und Spanien erworben.
Als Alternativ-Vorschlag zu nationalen Anleihen kommen voraussichtlich drei Modelle auf den Tisch, wie in Brüssel zu hören ist: Eine „große Lösung“, bei der nationale Anleihen komplett ersetzt werden. Alternativ könnte ein Großteil nationaler Anleihen durch Eurobonds ersetzt werden. Beide Modelle würden allerdings Vertragsänderungen voraussetzen. Für die dritte Variante wäre dies nicht nötig: Es gibt zwar ein gemeinschaftliches Wertpapier, doch die Euro-Länder müssten weiter anteilig haften.