Eurokrise schickt ifo-Index auf Talfahrt

München (dpa) - Die deutsche Wirtschaft schien sich von der Rezession in anderen Euroländern völlig abgekoppelt zu haben - die Stimmung wurde immer besser. Umso deutlicher fällt jetzt die Korrektur aus: Der ifo-Index bricht ein.

Doch Konjunkturexperten reagieren gelassen.

Nach einem starken Jahresauftakt fiel der ifo-Geschäftsklimaindex überraschend stark von 109,9 auf 106,9 Punkte, wie das ifo-Institut am Donnerstag in München mitteilte. Die Unternehmen beurteilten sowohl ihre aktuelle Geschäftslage als auch ihre Aussichten für das nächste halbe Jahr deutlich schlechter.

„Die deutsche Wirtschaft steht unter dem Eindruck der in letzter Zeit gestiegenen Unsicherheit im Euroraum“, erklärte ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Die Nachfrage in der Industrie sank, und auch der Einzelhandel spürte plötzlich Gegenwind. Ifo-Konjunkturexperte Gernot Nerb sagte: „Das ist zumindest ein erheblicher Dämpfer. Aber es ist zu früh, schon die Trendwende auszurufen.“ Im Gegenteil, die Wirtschaftsforscher sehen sich sogar bestärkt in ihrer Wachstumsprognose von 0,9 Prozent in diesem Jahr: „Wie im ersten Quartal konnte es ja nicht weitergehen, sonst hätten wir ja über 2 Prozent Wachstum“, erklärte Nerb.

Die Unternehmen korrigierten ihre bislang fast euphorische Beurteilung der Geschäftslage stark nach unten. Sie sei aber immer noch deutlich über dem langjährigen Durchschnitt, betonte Sinn. Bei den Geschäftserwartungen halten sich positive und negative Bewertungen inzwischen die Waage: „Die zukünftige Entwicklung wird von den Unternehmen pessimistischer beurteilt.“

Trotz Staatsschuldenkrise und Rezession in Südeuropa war das wichtigste Stimmungsbarometer der deutschen Wirtschaft seit November nur gestiegen. Die deutliche Korrektur im Mai ist für Nerb „ein Signal, dass die Firmen vorsichtiger werden“.

In der Industrie ist die Auftragslage noch gut, „sie bröckelt aber etwas ab“, wie der ifo-Konjunkturforscher sagte. Die Produktion verlangsamt sich. Die Personalplanung ist erstmals seit Monaten defensiv, Auf- und Abbaupläne halten sich die Waage. Die Nachfrage im Inland, die bislang von den Investitionen getrieben wurde, ließ nach. Die Exporterwartungen verbesserten sich zwar, konnten das aber nicht ganz ausgleichen. Der schwächere Euro sei Rückenwind für das Geschäft in Amerika, Asien und Russland, erklärte Nerb.

Überrascht zeigten sich die Wirtschaftsforscher vom Einbruch im Einzelhandel. Die Läden bewerten ihr momentanes Geschäft nicht mehr gut und schauen pessimistisch in die Zukunft. Bekleidungs- und Schuhläden spürten den stärksten Rückgang - aber Möbel und Unterhaltungselektronik liefen gut, und die jüngsten Tarifabschlüsse sollten dem Einzelhandel eigentlich eher Hoffnung machen: „Das ist wohl eher ein Ausrutscher“, sagte Nerb. Der getrennt erhobene ifo-Dienstleistungsindex sei im Mai gestiegen, und das spreche weiter für Rückhalt im Inlandsgeschäft.

Die deutsche Wirtschaft wachse im zweiten Quartal langsamer als im ersten, „aber wir sehen nicht, dass etwas Dramatisches passiert“, sagte der Konjunkturforscher. Größtes Risiko bleibe die Unsicherheit in der Eurozone. Wenn sich die Lage nach den griechischen Wahlen im Juni beruhigen würde, könnten die normalen wirtschaftlichen Faktoren wieder besser zum Tragen kommen, sagte Nerb.