Ex-Barclays-Chef räumt nach Zinsskandal Fehler ein
London (dpa) - Der zurückgetretene Barclays-Chef Bob Diamond hat Versäumnisse bei der Zinsaffäre in seiner Bank eingeräumt. Es seien „klare Fehler“ gemacht worden und es habe „verwerfliches Verhalten“ gegeben, sagte Diamond am Mittwoch vor dem Finanzausschuss des britischen Unterhauses.
Die Verantwortlichen seien auch zur Rechenschaft gezogen worden. Die Großbank Barclays muss wegen Manipulationen am Liborsatz 290 Millionen Pfund (345 Mio Euro) an die Aufsichtsbehörden in den USA und Großbritannien sowie an das US-Justizministerium zahlen.
Die Kritik an der britischen Zentralbank, zuvor in Unterlagen der Bank öffentlich gemacht, wiederholte Diamond vor dem Ausschuss nicht. Er gehe nicht davon aus, dass die Aussagen des stellvertretenden Zentralbankchefs Paul Tucker als Aufforderung zur Manipulation des Liborsatzes zu verstehen gewesen seien. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass es eine Anweisung war.“ Seine persönliche Angst sei gewesen, dass die Regierung Barclays keine eigene Rettung aus der Finanzkrise zutraute und deshalb eine Verstaatlichung der Großbank ins Auge fasste.
Aus zuvor von Barclays verbreiteten Unterlagen wird deutlich, dass Tucker am 28. Oktober 2008 per Telefon eine Empfehlung des damals Labour-geführten Finanzministeriums an Diamond - damals Chef des Investmentbankings - weitergegeben haben soll. Demnach soll Tucker gesagt haben: „...es muss nicht immer der Fall sein, dass wir so hoch erscheinen, wie wir das bisher waren...“.
Diamond sagte, er habe das an den damaligen Barclays-Vorstandschef John Varley und dessen rechte Hand Jerry del Missier weitergegeben. Eine persönliche Schuld räumte er nicht ein. Vom Tag des Gesprächs an fiel der Liborsatz rapide. Drei Tage später stieg das Emirat Abi Dhabi mit massiven Geldspritzen bei Barclays ein.
Libor ist der Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen. Meldet eine Bank einen hohen Liborsatz, kann dies als Zeichen schwacher Kapitalausstattung gewertet werden. Tucker hat am Mittwoch darum gebeten, ebenfalls „so schnell wie möglich“ vor dem Ausschuss aussagen zu können.
Der Skandal um die Zinsmanipulation hat auch Vorstandsmitglied del Missier den Job gekostet. Die Bank wird von Verwaltungsratschef Marcus Agius, der ebenfalls seinen Rückzug angekündigt hat, nun kommissarisch geführt.
Neben Barclays sind auch weitere Banken aus Europa, USA und Asien im Visier der Aufsichtsbehörden, darunter auch die Deutsche Bank. Diamond bezeichnete es als „unglücklich“, dass Barclays von den Aufsichtsbehörden als erste Bank als Sünder identifiziert wurde. Es gebe Probleme auch bei anderen Banken.
Der Bonner Wirtschaftsrechtler Daniel Zimmer forderte im „Handelsblatt“ (Donnerstag) Konsequenzen. „Referenzzinssätze müssen künftig auf nicht manipulationsfähiger Grundlage ermittelt werden“, sagte der Professor. Das bisherige System sei anfällig für Betrugsversuche.
Der stellvertretende Premierminister in Großbritannien, Nick Clegg, sagte in einem Zeitungsinterview, das britische Bankensystem sei im Jahr 2008 „bis zum Kern verdorben“ gewesen. „Als ein Staat, als eine Gesellschaft, können wir uns kein Bankensystem leisten, das wie der Kukuck im Nest alles andere hinauswirft und das große Lasten für den britischen Steuerzahler bringt“, sagte der Liberaldemokrat dem „Evening Standard“.