Ex-HSH-Vorstandsriege vor Gericht

Hamburg (dpa) - Erstmals muss sich ein kompletter Bankenvorstand wegen Folgen in der Finanzkrise vor Gericht verantworten - der Prozess gegen sechs frühere Topmanager der HSH Nordbank hat unter großem Medienandrang in Hamburg begonnen.

Der Vorsitzende Richter, Marc Tully, machte gleich am Mittwoch zum Auftakt klar: Das Landgericht betrete juristisches Neuland. Ob der Vorwurf der Kredituntreue auf Finanzprodukte wie das im Mittelpunkt stehende „Omega 55“ übertragbar ist, sei ungeklärt, sagte er zum Verhandlungsbeginn. „Die Strafkammer betritt Neuland“, erklärte Tully. „Das ist für alle Beteiligten keine ganz glückliche Situation.“

Der sechsköpfige frühere HSH-Vorstand, darunter Vorstandschef Hans Berger und Ex-Finanzchef Dirk Jens Nonnenmacher - er wurde später selbst HSH-Chef -, soll der Bank 2007 laut Anklage einen Schaden von 158 Millionen Euro zugefügt haben. Mit der Finanztransaktion „Omega 55“ hätten sie ihre Pflichten verletzt und damit Untreue in einem besonders schweren Fall begangen, so die Staatsanwaltschaft.

Nonnenmacher und einem weiteren Angeklagten wird zudem Bilanzfälschung vorgeworfen. Der frühere HSH-Chef stand vor allem im Blitzlichtgewitter der Fotografen und schwieg wie die anderen Angeklagten am Mittwoch vor Gericht. Alle sechs haben bislang die Vorwürfe dementiert und darauf verwiesen, ihre Pflichten als Vorstände gewissenhaft erfüllt zu haben. Der Prozess wird am Montag (29.7.) fortgesetzt.

Der Vorsitzende Richter erklärte, dass es den Rahmen des Prozesses sprengen würde, wollten sich die Richter mit der „Genese der Finanzmarktkrise“ auseinandersetzen. Das sei Aufgabe von Historikern und Wirtschaftswissenschaftlern. Im Verfahren steht der Finanzdeal „Omega 55“ aus dem Dezember 2007 im Mittelpunkt. Damals vereinbarte die HSH Nordbank mit der französischen BNP Paribas ein Gegengeschäft, bei dem letztlich neuartige Finanzprodukte und Risiken von rund 400 Millionen Euro bei der HSH landeten. Auch Papiere der späteren Pleitebank Lehman Brothers waren darin enthalten.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, dass sie auf der Grundlage ihrer Unterlagen die Chancen und Risiken des Geschäfts gar nicht hätten abwägen können. „Die Kreditvorlage war schwer verständlich und enthielt keine aussagekräftige Information über Kosten und Erträge des Geschäfts“, sagte der Staatsanwalt. Die Vorstände hätten hohe Verluste von Beginn an bewusst in Kauf genommen, um nach außen bessere Zahlen zu zeigen. Der Zeitrahmen für die Risikobewertung - wenige Tage im Dezember 2007 - sei unangemessen kurz gewesen, ergänzte der Ankläger. Außerdem habe das „Omega“-Geschäft im Widerspruch zu HSH-Vorstandsentscheidungen seit Sommer 2007 gestanden.

Der Vorsitzende Richter will das umstrittene Geschäft im Verfahren „aufribbeln“. Zeugen sollen Auskunft darüber geben, wie die Kreditvorlage zustande kam. Tully verwies darauf, dass Vorstände kaufmännische Risiken bei ihrem Handeln eingehen müssten. Die Prüfdichte müsse aber umso höher sein, desto größer das Risiko für das anvertraute Vermögen. Mit Hilfe von Sachverständigen will die Kammer auch die von der Anklage berechnete Schadenshöhe überprüfen.

Ein wesentlicher Schritt für den Fortgang des Prozess ist die von sämtlichen Verteidigern eingereichte sogenannte Besetzungsrüge. Die 8. Große Strafkammer des Landgerichts sei nicht zuständig, erklärten sie. Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist ihrer Ansicht nach nicht gesetzeskonform. Der Staatsanwalt wies Manipulationsvorwürfe „auf das Schärfste“ zurück. Trotz der Rüge, über die noch entschieden werden muss, setzt die Kammer den Prozess fort, „um ein zügiges Verfahren zu gewährleisten“.

Das Gericht wird monatelang verhandeln, ehe ein Urteil fällt. Mehr als 40 Prozesstermine bis in den Januar sind angesetzt. Den Angeklagten drohen Strafen bis zu zehn Jahren Haft. Für den nächsten Verhandlungstag kündigte Ex-Vorstandschef Berger neben einer persönlichen Erklärung auch eine zur Sache an.