EZB-Chefvolkswirt: Rücktritt inmitten der Krise
Chefvolkswirt Jürgen Stark gilt als Kritiker der milliardenschweren Anleihekäufe. Sein Rückzug löst Sorge vor allem in der Union aus.
Frankfurt. Mitten in der Euro-Schuldenkrise verliert die Europäische Zentralbank ihren Chefvolkswirt: Jürgen Stark gibt überraschend sein Amt ab. Der 63-Jährige gehe aus „persönlichen Gründen“ noch vor Ablauf der Amtsperiode am 31. Mai 2014, teilte die EZB am Donnerstag mit. Die Finanzmärkte reagierten mit heftigen Kurseinbrüchen auf die Nachricht. Der Dax fiel auf den tiefsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Als Nachfolger Starks wird der deutsche Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen gehandelt.
Stark galt — wie auch Ex-Bundesbank-Präsident Axel Weber — als Kritiker der milliardenschweren Anleihekäufe, mit der die EZB kriselnde Euro-Staaten stützt. Weber hatte im Februar wegen des Krisenmanagements in der Eurozone sein Amt niedergelegt. Weber hatte bis dahin als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge des scheidenden Notenbank-Präsidenten Jean-Claude Trichet gegolten. Auch der neue Bundesbank-Präsident Jens Weidmann soll den Anleihekäufen kritisch gegenüberstehen.
Bis zur Ernennung eines Nachfolgers voraussichtlich zum Jahresende bleibt Stark laut EZB im Amt. Der ehemalige Bundesbank-Vizepräsident sitzt seit Juni 2006 im EZB-Direktorium, das unter anderem für die Durchführung der Geldpolitik im Euro-Raum zuständig ist.
Unionspolitiker reagierten entsetzt auf den Rückzug Starks. Sein Ausscheiden sei „ein dramatisches Alarmsignal dafür, dass die EZB wieder auf den richtigen Weg geführt werden muss“, sagte der Präsident des Wirtschaftsrates der CDU, Kurt Lauk. „Mit dem Rücktritt von Jürgen Stark verliert die EZB einen Stabilitätsgaranten. Dies erfüllt mich mit großer Sorge um die Stabilität in Europa, denn im Moment geht es genau darum diese zu sichern und zu festigen“, sagte der Chef der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber.
Die Notenbank hat Anleihen von 129 Milliarden Euro aus Krisenstaaten in ihren Büchern. Kritiker werfen den Währungshütern vor, die klare Trennung zur Politik zu verwischen, indem sie Geld drucken, um die Staatspapiere zu kaufen — also um Schulden zu finanzieren. Die EZB weist dies zurück.