EZB fürchtet um Unabhängigkeit

Berlin (dpa) - Knapp 13 Jahre nach dem Euro-Start sieht die EZB ihre Rolle als Stabilitätshüter der gemeinsamen Währung in Gefahr. „Der politische Druck auf die EZB ist derzeit enorm“, sagte der scheidende EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“).

Besonders beunruhige ihn die Debatte, dass die Notenbank künftig nicht mehr allein der Stabilität des Euro verpflichtet sein könnte. „Es wird offen über eine Erweiterung unserer Aufgaben diskutiert. Das berührt nicht nur unsere Unabhängigkeit, sondern gefährdet sie“, sagte Stark.

Die EZB ist - nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank - strikt auf das Ziel eines stabilen Euro verpflichtet. Die andere große Notenbank der Welt, die amerikanische Fed, muss sich dagegen viel stärker auch darum kümmern, die Wirtschaft in Gang zu halten.

Mit Blick auf Rufe nach einer massiven Intervention der EZB hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am vergangenen Mittwoch im Bundestag den Währungshütern den Rücken gestärkt. Diese seien „einzig und allein verantwortlich für die Geldwertstabilität“. Die Unabhängigkeit der EZB bestehe „in jede Richtung: Ob sie etwas tut oder ob sie etwas nicht tut.“ Es sei wichtig, dass Europa sich auf solche unabhängigen Instanzen gründe: „Und deshalb darf an dem Mandat nach meiner festen Überzeugung für die Europäische Zentralbank nichts, aber auch gar nichts geändert werden.“

Als mögliches Instrument im Kampf gegen die Schuldenkrise wird eine dauerhafte und unbegrenzte Übernahme von Staatsschulden durch die EZB diskutiert, was von der EZB aber strikt abgelehnt wird. Für die Volkswirte der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) lautet die Alternative: Gemeinsame Anleihen der Euroländer (Eurobonds) oder „der verstärkte Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB, sprich die Staatsfinanzierung mit der Notenpresse“. Gegen letzteres macht die EZB Front: „Die Notenpresse wird auf keinen Fall für den Abbau von Staatsschulden genutzt“, sagte Stark.

Auch Starks Nachfolger bei der EZB, der bisherige Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen, unterstreicht diese Linie. „Wenn Staatsanleihen in jeder Menge bedingungslos von einer europäischen Instanz gekauft und vom Markt genommen würden, dann würde das den Reformdruck auf die Schuldnerländer nehmen“, sagte er der „FAS“. Die EZB hatte 2010 begonnen, Anleihen gefährdeter Euroländer zu kaufen - betrachtet dies aber als unkonventionelle und vorübergehende Maßnahme.