EZB legt Zinspause ein
Helsinki (dpa) - Europas Währungshüter haben eine Zinspause eingelegt. Nach der ersten vorsichtigen Straffung der Geldpolitik im April hält die Europäische Zentralbank (EZB) ihr weiteres Pulver vorerst trocken: Der Leitzins im Euro-Raum bleibt wie erwartet bei 1,25 Prozent - trotz der anziehenden Inflation.
Das beschloss der EZB-Rat am Donnerstag bei seiner auswärtigen Ratssitzung in Helsinki. Gleichzeitig lobte die Notenbank den Sparkurs im hoch verschuldeten Portugal. Damit könnten die Wirtschaft des Landes stabilisiert und das Vertrauen in die finanzielle Stabilität zurückgewonnen werden, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet in Finnland - dem Land, von dem Beobachter glauben, es könnte nach dem Wahlerfolg der nationalistischen Partei „Wahre Finnen“ die Milliardenhilfen für Portugal stoppen.
Davon wollte Trichet aber nichts wissen: „Wir erwarten, dass alle Länder ihrer Verantwortung in der aktuellen Situation nachkommen.“ Mehrere EZB-Ratsmitglieder hatten bereits weitere Zinserhöhungen angedeutet, wenn die Preise weiter steigen. Trichet betonte: „Wir werden immer alles tun, um Preisstabilität zu garantieren.“ Im April war die Inflation im Euroraum auf 2,8 Prozent gestiegen. Damit liegt sie weit über dem Zielwert „von knapp unter zwei Prozent“. Angesichts der steigenden Preise und der guten Konjunktur ist es nach Ansicht von Experten daher nur eine Frage der Zeit, wann die EZB erneut an der Zinsschraube dreht.
Vorerst wird das aber nicht der Fall sein, Beobachter erwarten eine weitere Pause im Juni. „Die EZB hat die nächste Zinserhöhung offensichtlich von Juni auf Juli verschoben“, kommentierte Berenberg-Volkswirt Holger Schmieding Trichets Rede.
Der EZB-Präsident erwartet, dass die Inflation auch in den kommenden Monaten deutlich über 2,0 Prozent liegt. Druck gehe insbesondere von den Energie- und Rohstoffpreisen aus, die wegen der politischen Spannungen in Nordafrika und dem Nahen Osten weiter steigen dürften. Daher sei es absolut wichtig, dass die Inflation nicht zu Zweitrundeneffekten etwa durch hohe Lohnforderungen führt und eine Lohn-Preis-Spirale auf breiter Basis in Gang gesetzt werde.
Die Währungshüter hatten den wichtigsten Zins zur Versorgung der Geschäftsbanken im Euro-Raum mit Zentralbankgeld im April erstmals seit fast genau zwei Jahren leicht angehoben. Damit verabschiedeten sie sich von ihrer Krisenpolitik des extrem billigen Geldes.
Volkswirte erwarten, dass die Notenbank den Leitzins in den nächsten Monaten in kleinen Schritten auf 2,0 Prozent anheben wird. So sollen der Preisdruck gesenkt und die Kaufkraft in Boom-Ländern wie Deutschland erhalten werden.
Höhere Zinsen verteuern aber auch Kredite. Daher könnten sie Gift für die Erholung der Konjunktur sein und vor allem einen Aufschwung in Krisenstaaten wie Irland, Griechenland und Portugal noch schwieriger machen. Experten der DZ Bank sehen die Währungshüter daher in einer Zwickmühle: „Einige Kernländer könnten deutlich kräftigere und schneller steigende Leitzinsen gebrauchen, um einen möglichen Preisdruck abzufangen. Steigende Leitzinsen verschlechtern aber auch insbesondere in der Peripherie die Verschuldungssituation der privaten Haushalte, wodurch dort die Zahlungsausfälle zunehmen.“
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erwartet, dass die EZB den Zins nur behutsam anheben wird: „Denn die EZB ist - nicht zuletzt wegen des Kaufs von Staatsanleihen - nahe an die Politik gerückt und wird gewisse Rücksichten nehmen auf die darbenden Peripherieländer.“
Trichet trat am Donnerstag allerdings den Spekulationen entgegen, die Notenbank werde ihre Zinspolitik von der Schwäche einiger Länder abhängig machen. Er betont seit Monaten, dass die EZB auf die Schulden einzelner Staaten keine Rücksicht nehmen kann. In Helsinki ermahnte Trichet die Regierungen, ihre Etats in Ordnung zu bringen.
Aktuell sehe die EZB das Risiko, dass einige Länder hinter ihrem zugesagten Defizitabbau zurückbleiben: „Es ist wichtig, dass alle Regierungen sich an die Defizitvorgaben halten.“ Notfalls müsse umgehend nachgebessert werden. „Unsere Botschaft ist an alle Länder gerichtet, nicht nur an Griechenland: Es ist ganz klar, dass der Schlüssel zur Glaubwürdigkeit und zur Kreditwürdigkeit in einer glaubwürdigen Haushaltpolitik liegt.“
Der Ausblick auf weiter steigende Zinsen stärkt den Euro gegenüber dem Dollar. Denn während die EZB geldpolitisch einen Gang zurückgeschaltet hat, steht die US-Notenbank Fed noch voll auf dem Gaspedal und pumpt hohe Summen in den Geldkreislauf. Auch die Bank of England beließ ihren Leitzins auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent.
Doch ein starker Euro verteuert europäische Produkte am Weltmarkt und belastet daher die Exportwirtschaft. Dass dies ein Ziel der Fed sei, wies Trichet erneut entschieden zurück: „Fed-Chef Ben Bernanke hat gesagt, ein starker und stabiler Dollar sei sowohl im Interesse Amerikas als auch der Weltwirtschaft. Ich teile diese Einschätzung.“