EZB schafft Zinsen ab und weitet Geldflut massiv aus

Frankfurt/Main (dpa) - Die Europäische Zentralbank kämpft mit allen Mitteln gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche: Die Währungshüter senkten den Leitzins überraschend von 0,05 Prozent auf null Prozent.

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Zugleich pumpt die Notenbank noch mehr Geld in den Markt und brummt Finanzinstituten, die Geld bei ihr parken, höhere Strafzinsen auf. Außerdem gibt es neue billige Langfristkredite für Banken.

Mit diesem bisher einmaligen Maßnahmenbündel will die EZB die Kreditvergabe im Euroraum ankurbeln und so Konjunktur und Inflation anschieben. „Wir werden nicht vor der niedrigen Inflation kapitulieren“, betonte Draghi in Frankfurt.

Die EZB pumpt deswegen noch mehr Geld in den Markt. Seit einem Jahr steckt die Notenbank Monat für Monat 60 Milliarden Euro in den Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren. Die Maßnahme, die im Fachjargon „Quantitative Easing“ oder kurz „QE“ genannt wird, wurde erst im Dezember um ein halbes Jahr verlängert. Ab April will die EZB nun monatlich 80 Milliarden Euro investieren. Zudem werden weitere Papiere in den Korb aufgenommen. Das Programm soll bis mindestens Ende März 2017 laufen mit einem Gesamtvolumen von dann insgesamt 1,74 Billionen Euro.

An der Börse sorgte die neue Geldflut für ein Kursfeuerwerk. Der deutsche Leitindex Dax nahm am Nachmittag die 10 000-Punkte-Marke in Visier. Der Euro verbilligte sich, das hilft Exporteuren aus den 19 Staaten mit der Gemeinschaftswährung.

Nochmals verschärft wurde der Strafzins für Bankeinlagen. Statt 0,3 Prozent müssen Geschäftsbanken künftig 0,4 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld kurzzeitig bei der EZB parken. Müssen Banken mehr für das Bunkern von Liquidität zahlen - so die Theorie - bringt sie das eher dazu, das Geld als Kredit an Verbraucher und Unternehmen weiterzureichen. Die Strafgebühr ist aber umstritten. Ökonomen befürchten, dass Institute die Kosten auf ihre Kunden abwälzen könnten, statt mehr Kredite zu vergeben. Dadurch könnten Sparer, die bereits unter den Niedrigzinsen der EZB leiden, noch mehr in Mitleidenschaft gezogen werden.

Bislang kommt das viele billige Zentralbankgeld nicht im gewünschten Maß in der Wirtschaft an. Die Konjunktur im Euroraum erholt sich nur schleppend, die Inflation ist nach wie vor im Keller. Im Februar waren die Verbraucherpreise im Euroraum erstmals seit einem halben Jahr wieder gefallen. Die jährliche Teuerungsrate ging nach ersten Schätzungen wegen des erneuten Absturzes der Ölpreise auf minus 0,2 Prozent zurück. Dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen aufschieben, in der Hoffnung, dass es bald noch billiger wird.

Nach Einschätzung der Währungshüter wird die Inflation in diesem Jahr mit mageren 0,1 Prozent deutlich schwächer ausfallen als zuletzt erwartet. 2017 dürfte die Teuerungsrate dann auf 1,3 Prozent anziehen. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflationsrate von 2,0 Prozent an - weit genug entfernt von der Nullmarke.

Zugleich haben sich die Konjunkturaussichten wegen der Abkühlung der Weltwirtschaft eingetrübt, wie Draghi erläuterte. Die Notenbank senkte daher auch die Wachstumsprognose für dieses Jahr und das kommende Jahr leicht.

Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Niedrigzinsen erteilte Draghi eine Absage. Die Zinsen würden noch über die Laufzeit des Ankaufprogramms hinaus niedrig bleiben.

Um die Kreditvergabe anzukurbeln, bietet die EZB Banken ab Juni zudem neue zielgerichtete Langzeitkredite mit vier Jahren Laufzeit (TLTRO) zu extrem günstigen Konditionen an. Banken, die besonders viel ausleihen, sollen geringere Zinsen zahlen und sogar über negative Zinsen davon profitieren. Zuletzt war die Nachfrage nach solchen Krediten verhalten.

Der EZB-Rat beschloss die bei Banken und Ökonomen umstrittenen Maßnahmen Draghi zufolge mit überwältigender Mehrheit. Einer der schärfsten Kritiker, Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, durfte bei der Sitzung am Donnerstag allerdings nicht mit abstimmen. Grund ist ein Rotationsverfahren im Entscheidungsgremium der Notenbank. Es greift, seit Litauen zum 1. Januar 2015 das 19. Mitglied im Euro-Club wurde. Das Verfahren habe jedoch nicht grundsätzlich an der Diskussion im EZB-Rat geändert, versicherte Draghi.