EZB widersteht politischem Druck und hält Kurs
Frankfurt/Main (dpa) - Die Europäische Zentralbank (EZB) hält dem politischen Druck stand: Ungeachtet der Sorge um einen Flächenbrand infolge der Irland-Krise legt sich die Notenbank nicht auf zusätzliche Rettungsmilliarden fest.
Zwar bietet die EZB den Geschäftsbanken länger als zuletzt angedeutet billiges Geld an. Doch das im Mai im Zuge der Griechenland-Rettung über Nacht aufgelegte Programm zum Kauf von Staatsanleihen von Euro-Wackelkandidaten bleibt unverändert. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet betonte am Donnerstag in Frankfurt erneut, die Maßnahmen seien vorübergehend: „Wir werden damit fortfahren, dem Markt die Liquidität wieder zu entziehen.“
Nachdem Irland als erstes Euro-Land unter den Rettungsschirm von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds geschlüpft war, hatte der Druck auf die Währungshüter zugenommen, in deutlich größerem Umfang als bisher Staatsanleihen auch von Wackelkandidaten wie Spanien zu kaufen. Seit Mai hat die EZB 67 Milliarden Euro in Staatsanleihen gesteckt - vor allem im Mai und Juni. Eine Obergrenze nannte Trichet auch am Donnerstag nicht.
Der EZB-Präsident lobt die in Irland und anderen Euro-Staaten angestoßenen Reformen, mahnte aber zugleich: „Die verantwortlichen Regierungen müssen das Vertrauen in solide Finanzen stärken.“ Die Märkte sollten die Entschlossenheit der Europäer nicht unterschätzen.
Für ein Ende der Sondermaßnahmen sprechen die Konjunkturaussichten für die 16 Ländern mit der Gemeinschaftswährung: Die EZB erhöhte ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum im Euro-Raum in diesem Jahr von 1,6 (Spanne: 1,4 bis 1,8) Prozent auf 1,7 (1,6 bis 1,8) Prozent. Für 2011 bestätigten die Experten der Notenbank ihre Schätzung vom September: Im Mittel wird ein Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 1,4 Prozent erwartet (Spanne: 0,7 bis 2,1 Prozent).
An der Preisfront sieht die Notenbank den Druck unverändert niedrig: Die Inflationsrate dürfte sich in diesem Jahr im Mittel bei 1,6 Prozent bewegen, 2011 bei 1,8 Prozent. Diese Werte liegen unter der Warnschwelle der EZB von 2,0 Prozent.
Die Banken im Euro-Raum können sich weiterhin zu historisch günstigen Konditionen mit Zentralbankgeld versorgen: Die EZB ließ den Leitzins wie erwartet bei 1,0 Prozent. Auf diesem Niveau verharrt der Zins nun schon seit Mai 2009. Frühestens Ende 2011 rechnen Volkswirte mit einem ersten Zinsschritt nach oben.
Zudem bietet die EZB den Geschäftsbanken - anders als bei der EZB- Sitzung im November angedeutet - weiterhin billiges Geld mit bis zu drei Monaten Laufzeit an. Der bereits gestartete Ausstieg aus diesen Sonderprogrammen wird erst im zweiten Quartal 2011 fortgesetzt.
Einige Experten hatten erwartet, dass die EZB den Kauf von Staatsanleihen drastisch ausweiten würde, um zu verhindern, dass die Irland-Krise auf andere Staaten überschwappt. Die US-Notenbank Fed hatte es vorgemacht: Sie hatte kürzlich zusätzliche Anleihenkäufe in einem Volumen von 600 Milliarden Dollar beschlossen, um die schwächelnde US-Wirtschaft anzukurbeln.
Der Kauf von Staatsanleihen - der auch EZB-intern umstritten ist - soll hoch verschuldeten Staaten wie Irland, Griechenland oder Portugal helfen, die sich am Markt nur noch zu überhöhten Zinsen Geld besorgen können. Kritiker sehen die Unabhängigkeit der Notenbank gefährdet. Unter anderen Bundesbank-Präsident Axel Weber, der im EZB- Rat sitzt, hatte sich mehrfach ablehnend zu der Maßnahme geäußert. Trichet sagte am Donnerstag, die Fortführung des Programms sei vom EZB-Rat „mit überwältigender Mehrheit“ beschlossen worden.