Interview: Thyssen-Krupp - Zukunftspakt für Edelstahl-Sparte
Clemens Iller und Klaus-Peter Hennig, Vorstände von Thyssen-Krupp Nirosta, über die neue Firmenstruktur.
Düsseldorf. Der Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp Nirosta hat Donnerstagabend die Schließung des Werks in Düsseldorf-Benrath und die Verlagerung zum Standort Krefeld beschlossen.
WZ: Warum ist die Entscheidung notwendig?
Iller: Die Edelstahlindustrie ist seit mehreren Jahren in einer schwierigen Situation. Im abgelaufenen Geschäftsjahr haben wir rote Zahlen geschrieben. Daher sind wir gezwungen, nun alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um uns neu aufzustellen und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
Hennig: Das ist ein schmerzlicher Prozess, gerade an einem Traditionsstandort wie Benrath.
WZ: Wie viele Arbeitsplätze fallen mit dem neuen Konzept innerhalb der nächsten fünf Jahre unter dem Strich weg?
Hennig: Rund 300 Arbeitsplätze werden innerhalb der Nirosta-Gruppe im Zuge dieser Maßnahme in den kommenden fünf Jahren abgebaut. Es wird keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Allen 534 Mitarbeitern des Werks Benrath werden sozialverträgliche Lösungen oder Ersatzarbeitsplätze im Konzern angeboten, vor allem in Krefeld. Wir haben eine sehr, sehr gute Mannschaft in Benrath.
WZ: Wie hoch ist das Einsparpotenzial?
Iller: Die Umstrukturierungen sollen mittelfristig das Ergebnis um einen hohen zweistelligen Euro-Millionen-Betrag verbessern. Mit der Entscheidung wird der Standort Krefeld gestärkt.
WZ: Sind darüber hinaus dort weitere Investitionen geplant?
Iller: Wir haben jetzt vom Aufsichtsrat grünes Licht für 244 Millionen Euro Investitionen in Krefeld erhalten. Diese beinhalten den Umzug aus Düsseldorf und die Modernisierung der Anlagen in Krefeld. Wenn sich die Märkte erholen sollten, können wir zudem ein weiteres Kaltwalzgerät aus Benrath nach Krefeld verlagern. Das können wir aber in zwei oder drei Jahren immer noch je nach Marktlage entscheiden.
WZ: Im Edelstahlgeschäft konkurrieren Sie mit spanischen, finnischen und französischen Wettbewerbern. Die Energiekosten sind in Deutschland besonders hoch. Ist die Edelstahlproduktion in Deutschland auf längere Sicht überhaupt konkurrenzfähig?
lller: Wir werden mit deutlich höheren Energiekosten belastet als unsere Mitbewerber. Rohstoffe und Energie machen 80 Prozent unserer Kosten aus. Also haben wir keine andere Chance, als an unserer Struktur zu arbeiten. Zudem setzen wir auf Premium-Produkte hinsichtlich Innovation und Qualität. Wir müssen immer ein wenig besser als die Konkurrenz sein. Dann haben wir sicher eine Zukunft, auch in Deutschland.
WZ: Können Sie ein Beispiel für Innovationen nennen?
Hennig: Wir haben ein spezielles Anti-Fingerprint-System für Edelstahloberflächen entwickelt, das Fingerabdrücke vermindert. Diese Oberfläche wird viel für Kühlschränke eingesetzt. Die 400 000 Edelstahl-Lamellen unserer neuen Konzernzentrale in Essen reagieren auf Sonnenlicht - das ist bislang weltweit einmalig.
WZ: Einige Konzerne haben Alarm geschlagen, weil begehrte Rohstoffe auf den Märkten knapp werden. Die Chinesen kaufen in großem Stil Nickel. Inwieweit wirkt sich das auf Produktion und Kalkulation bei Nirosta aus?
Iller: Wir haben kein Versorgungsproblem beispielsweise bei Legierungsmitteln. Eigentlich gibt es ausreichend Nickel weltweit. Unser Problem sind die starken Preisschwankungen an den Rohstoff-Börsen. Die Preise können innerhalb weniger Tage um zehn bis 15 Prozent abweichen. Dabei beruht ein großer Teil dieser Schwankungen auf Spekulationen und hat nichts mit der tatsächlichen Versorgungslage zu tun. Hier würden wir uns auch mehr Unterstützung seitens der Politik wünschen.
WZ: Der künftige Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger gilt als technologie-affin, während der scheidende Chef Ekkehard Schulz ein Stahl-Mann war. Deutet sich ein Strategiewechsel an?
Iller: Heinrich Hiesinger hat bei der Bilanz-Vorstellung in dieser Woche betont, dass Stahl auch in Zukunft ein wichtiges Standbein im Konzern ist. Er hat bereits fast alle Stahlstandorte besucht. Allerdings müssen wir die Thyssen-Krupp Nirosta weiterentwickeln und unseren Wertbeitrag zum Konzernergebnis leisten, das heißt wir wollen wieder schwarze Zahlen schreiben.