Mensch-Maschine-Kollaboration Fabrik der Zukunft: Forscher testen neue Produktionsanlagen
Stuttgart (dpa) - Mit seiner schwarzen Rüstung sieht der Wissenschaftler etwas aus wie ein Superheld aus dem Kino. Tatsächlich scheint er überirdische Kräfte zu haben: Er greift zu einer Hantel und hebt sie dank Robotertechnik spielend leicht in die Höhe - als sei es nur ein Bleistift, den er in den Händen hält.
„Geht gut“, sagt der Mann in dem futuristischen Anzug, der Elektrotechniker Amir Ebrahimi, und blickt zufrieden zum staunenden Publikum. Für die Vorführung in einem Stuttgarter Forschungslabor ist Politikprominenz angereist. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) nickt anerkennend, auch IG-Metall-Chef Jörg Hofmann ist angetan.
Der Anzug nennt sich Exo-Skelett, er ist eins von 60 Exponaten im sogenannten „Future Work Lab“ von Stuttgarter Fraunhofer-Instituten. In dem am Donnerstag eröffneten Forschungslabor geht es darum, wie moderne Technik die Fabrikarbeit der Zukunft erleichtern kann.
Firmen wie Bosch Rexroth haben Anlagen bereitgestellt, andere noch nicht marktreife Maschinen sind vom Fraunhofer-Institut selbst entwickelt. „Arbeit verändert sich, sie wird schneller, dynamischer und flexibler“, sagt Fraunhofer-Professor Wilhelm Bauer. Es entstünden neue Formen der „Mensch-Maschine-Kollaboration“. „In unserem Innovationslabor soll der Wandel der Öffentlichkeit an konkreten Beispielen gezeigt werden.“
Eins dieser Beispiele ist der Roboteranzug, den die Fraunhofer-Macher „Exo-Jacket“ nennen. Der Anzug besteht aus Kunststoff und Metallteilen sowie einem Elektromotor, auf menschlichen Befehl hebt und senkt sich der Arm. Ursprünglich habe man Gelähmten helfen wollen, sagt einer der zuständigen Fraunhofer-Entwickler, Tobias Rogge - aber das wäre sehr kompliziert gewesen. Dann kam die Idee, es zur Rücken- und Gelenkschonung einzusetzen. „Wir wollen den Menschen nicht stärker machen, sondern die Last auf ihn reduzieren“, sagt der Maschinenbauer. Sein Chef, Fraunhofer-Professor Thomas Bauernhansl, betont, Muskelschwund durch plötzlichen Mangel an Belastung drohe nicht - eben weil die Belastung nur reduziert werde.
Eingesetzt werden könnte das „Exo-Jacket“ bei der Montage von Bussen - da sind Mitarbeiter bisweilen den ganzen Tag damit beschäftigt, Kabel über sich in der Höhe anzubringen. Auch am Flughafen soll der Anzug genutzt werden, etwa beim Ausladen von Gepäck. Der Frankfurter Flughafen habe Interesse, sagt Rogge. Dafür allerdings müsste der bisherige Prototyp noch aufgerüstet werden. Geht alles gut, könnte das „Exo-Jacket“ in zwei Jahren auf den Markt kommen, die Stückkosten dürften bei 20 000 bis 40 000 Euro liegen.
An einem anderen Stand wird ein großer, etwa zwei Meter hoher Greifarm vorgeführt. Der soll Fabrikarbeitern dabei helfen, Bauteile von Paletten zu nehmen - gewissermaßen als dritter, überdimensionaler Arm des Arbeiters. In der Laborhalle fährt zudem ein 40 Zentimeter hoher Roboter rum, der Bauteile von A nach B bringen und Arbeitern dadurch Wegzeit ersparen soll. An einer Montagebank von Bosch Rexroth wiederum bekommen Arbeiter mittels Video-Projektionen erklärt, was sie als nächstes tun sollen. Greifen sie in die falsche Schrauben-Box, erkennen das Sensoren und es leuchtet rot auf. Fehler sollen dadurch unmöglich und Produktionsabläufe beschleunigt werden.
Die Präsentation ist eine Art Blick in die Zukunft - diese Maschinen könnten die Fabrikarbeit künftig verändern. Aber wird der Mensch da nicht immer unwichtiger - und droht nicht ein massiver Arbeitsplatzverlust? Nein, sagt Ministerin Wanka. Nicht weniger, sondern mehr Jobs werde es dank technischer Innovationen und „Industrie 4.0“, also der besseren Nutzung von Datenströmen, geben, ist sie überzeugt. Dabei verweist sie auf die Einführung der Computer im vergangenen Jahrhundert - auch damals habe es Sorgen wegen Jobverlusten gegeben. Es sei dann aber ganz anders gekommen: „Gerade Deutschland hat ganz viel an Beschäftigung dazugewonnen.“
IG-Metall-Chef Hofmann betont, der technische Fortschritt müsse auch sozialen Fortschritt mit sich bringen - „sonst wird das zum Rationalisierungsprogramm“. Auf die Frage, ob Jobverlust droht, sagt er: „Natürlich muss man sich Sorgen machen.“ Aber die Zukunft könnte eben auch Chancen haben, wenn neue Geschäftsmodelle funktionierten und ein entsprechendes Job-Plus mit sich brächten.
Strahlende Gesichter gibt es auf Seiten der Arbeitgeber. „Dieses Labor ist exakt das, was wir heute brauchen“, sagt Südwestmetall-Chef Stefan Wolf. „Ein Labor, das erlebbar macht, wie sich die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung und der modernen Automatisierung auf die Arbeitswelt auswirken werden.“ Das Labor ist übrigens nur der Beginn einer wissenschaftlichen Blicks in die Zukunft: Im Mai soll auf dem Stuttgarter Unigelände eine Modellfabrik auf 10 000 Quadratmetern eröffnet werden, in der Auto-Produktionsabläufe deutlich umfassender dargestellt und analysiert werden sollen.