Folgen für Kunden Fachkräftemangel im Handwerk verschärft sich
Berlin (dpa) - Der Fachkräftemangel im Handwerk nimmt zu - mit wachsenden Folgen für Kunden. „Das Problem hat sich noch weiter verschärft“, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer der Deutschen Presse-Agentur.
„Das hat zur Folge, dass unsere Kunden immer länger warten müssen. Darüber sind natürlich auch unsere Betriebe gar nicht froh, denn die wollen ihre Aufträge schnell und gut erledigen. Betroffen sind inzwischen auch Stammkunden.“
Die Bundesagentur für Arbeit habe festgestellt, dass im Handwerk rund 150.000 Fachkräfte fehlten. „Aber wir haben sehr viele Betriebe, die gar keine offenen Stellen mehr melden“, sagte Wollseifer. „Deshalb schätzen wir die Zahl der fehlenden Fachkräfte im Handwerk auf 200.000 bis 250.000.“ Bei Notfällen wie Sturm- oder Wasserschäden kämen Handwerker weiter schnell. „Wenn man aber ein neues Dach will, weil es erneuert werden soll, dann kann es sein, dass man zehn bis zwölf Wochen warten muss. Und es gibt auch keine Entwarnung: Das Problem wird sich in den nächsten 18 bis 24 Monaten nicht verbessern.“
Das Handwerk habe zu wenig Nachwuchs. „Das verschärft sich immer mehr, weil es einerseits immer weniger Schulabgänger und andererseits den Drang zum Studium gibt.“ Obwohl die Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge steige, werde das Handwerk auch dieses Jahr nicht alle Ausbildungsplätze besetzen können, so Wollseifer. „Zurzeit sind mehr als 30.000 Ausbildungsplätze allein im Handwerk weiter offen - und das trotz der sehr guten Zukunfts- und Berufsperspektiven. Das wird sich bis Ende September reduzieren, aber wir rechnen damit, dass dann immer noch um die 20.000 Ausbildungsplätze nicht besetzt sind.“
Einen Fachkräftemangel gebe es vor allem in technischen Berufen, etwa in der Gebäudetechnik, aber auch bei Elektronikern. Es müsse gelingen, dass wieder möglichst viele Jugendliche ins Handwerk kämen. Wollseifer: „Wir müssen Jugendliche begeistern. Dafür braucht es Anerkennung für das Handwerk und Wertschätzung für berufspraktische Ausbildung und Arbeit.“
Daneben brauche das Handwerk aber politische Unterstützung. Auf Drängen der Branche sei ein Berufsbildungspakt in den Koalitionsvertrag genommen worden. „Der muss jetzt aber auch inhaltlich gefüllt werden“, sagte Wollseifer. „Und da muss man auch über Geld sprechen und mehr Geld in die Hand nehmen. Es geht darum, berufliche Bildung und akademische Bildung auch finanziell gleichwertig zu behandeln. Davon sind wir noch weit entfernt.“
Es könne nicht sein, dass die Begabtenförderung im Handwerk bundesweit mit 50 Millionen Euro unterstützt werde - die Begabtenförderung akademischer Berufe aber mit fast 270 Millionen. Dazu kämen im akademischen Bereich die Exzellenzförderung mit 350 Millionen und ein Hochschulpakt mit mehr als zwei Milliarden im Jahr. „Das ist eine riesige Diskrepanz zur Förderung des Handwerks. Wir wollen keine Milliarden, aber eine wesentlich bessere Mittelausstattung“, sagte der 63-Jährige. „Wenn wir nicht wollen, dass uns die Fachkräfte ausgehen, dann muss hier ganz rasch etwas getan werden.“
Wollseifer forderte zudem, dass die Meisterausbildung und -prüfung künftig vollständig kostenfrei sei - genauso wie auch das Studium bis zum Examen kostenfrei sei. „Wer jetzt seinen Meister macht, bei dem können derzeit nur knapp zwei Drittel der Kurs- und Prüfungskosten gefördert werden. Den Rest müssen die angehenden Meister selbst übernehmen.“ Es könne bis zu 15 000 Euro kosten, den Abschluss zu machen. Um den Meister kostenfrei zu stellen, wären etwa um die 60 Millionen Euro nötig. „Das sollte es unserer Gesellschaft schon wert sein, meisterliches Können auch für die Zukunft zu sichern.“
Zudem brauche das Handwerk ausländische Fachkräfte. „Ein Einwanderungsgesetz muss vor allem beruflich Qualifizierte in den Blick nehmen. Wir wollen junge Facharbeiter aus dem Ausland anwerben, dafür müssen aber die Verfahren deutlich einfacher werden. Unser Vorschlag ist, Migrationsabkommen mit all den Ländern abzuschließen, die ein vergleichbares Ausbildungssystem und -niveau haben.“
Dann käme man weg von umständlichen Einzelfallprüfungen und hin zu einem rein formalen Einwanderungsverfahren. „Wer im Heimatland einen anerkannten Berufsabschluss hat, wer dort zwei Jahre in dem Beruf gearbeitet hat, ein ausreichendes Sprachniveau und vor allem einen Arbeitsvertrag vorweisen kann, der soll auch einreisen und hier bleiben dürfen.“