Düsseldorf. Fahrlehrern fehlt der Nachwuchs
Düsseldorf. · Fahrlehrern fehlt der Nachwuchs. Um den Beruf attraktiver zu machen, wurden die Anforderungen inzwischen gesenkt.
Seit anderthalb Jahren sucht Manfred Grunwald einen Fahrlehrer zur Festanstellung. Die Stellenanzeige schaltet der Fahrlehrer aus Düsseldorf-Heerdt immer wieder. „Viele Leute, die vom Arbeitsamt geschickt werden, tauchen entweder erst gar nicht auf oder arbeiten so, dass ich sie nach einem Monat freiwillig wieder wegschicke“, berichtet Grunwald. Lieber keinen Fahrlehrer als einen, der keine Lust hat.
Zwischen 150 und 180 Fahrschüler absolvieren pro Jahr bei Grunwald ihre Prüfung. Dazu könnte er neben seinem Festangestellten und seinen zwei Aushilfen noch einen weiteren gebrauchen. Ein Bewerber, der Interesse hatte, durfte nicht. „Er wollte sich den Kurs vom Arbeitsamt finanzieren lassen. Die sagten ihm aber, dass Bus- und Bahnfahrer dringender gebraucht werden, also bekam er die Finanzierung nicht“, berichtet Grunwald enttäuscht.
Seit 33 Jahren leitet er seine Fahrschule. Zuvor war er zwölf Jahre bei der Bundeswehr. Seine Zweigstelle in Oberkassel hat Grunwald 2015 geschlossen. „Wegen Personalmangel“, wie er sagt. „Früher kamen Fahrlehrer von der Bundeswehr, dort wurden alle Klassen ausgebildet. Heute ist das nicht mehr so“, stellt Grunwald fest.
Die Voraussetzungen für den Beruf sind hoch. So müssen die Fahrlehreranwärter neben dem dreijährigen Besitz des Führerscheins entweder das Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen können, ehe sie anderen das Fahren beibringen dürfen.
Um mehr Leute in den Beruf zu locken, wurden 2018 die Anforderungen gesenkt. Anwärter brauchen seither nur noch den Führerschein der Klasse, die sie auch unterrichten wollen. Die Meinungen darüber gehen auseinander. „Wir haben uns strikt dagegen ausgesprochen“, sagt Volker Freigang, stellvertretender Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Niederrhein. „Ein Fahrlehrer, der nur den Führerschein der Klasse hat, die er unterrichtet, ist wie ein Deutschlehrer, der nie Englisch oder Erdkunde hatte“ erklärt Freigang. Als Lehrer sei es wichtig, über den Tellerrand zu gucken. Im dichten Verkehr trage der Fahrlehrer eine große Verantwortung.
Positive Effekte hingegen kann der Leiter der Fahrlehrerfachschule in Düsseldorf, Volker Tochtrop, erkennen. Er verzeichnet seither einen Anstieg an Anwärtern. Und auch die Frauenquote steigt. „Viele Frauen haben keinen Motorrad- und Lkw-Führerschein, weil sie sich nicht zutrauen, diese Fahrzeuge zu fahren. In meinem letzten Kurs waren jetzt acht von 24 Teilnehmern weiblich“, sagt Tochtrop.
In diesem Jahr laufen an der Fahrlehrerfachschule in Düsseldorf fünf Ausbildungskurse. Drei Kurse bilden für die Klasse B (Pkw) und BE (Pkw mit Anhänger) aus, in zwei Klassen werden die Fahrlehrer für Motorrad ausgebildet. Die Kosten liegen im unteren fünfstelligen Bereich. „Viele bekommen den Kurs vom Arbeitsamt finanziert. Sie sind klassische Quereinsteiger, die oft in ihrem gelernten Beruf nicht mehr arbeiten können“, sagt Tochtrop. Die jüngsten Anwärter, mit gerade mal 20 Jahren, seien seiner Erfahrung nach Kinder von Fahrschulinhabern.
Insgesamt sind die Kurse modernisiert und entschlackt worden. Mehr Pädagogik, weniger Technik. „Wir haben damals noch einen halbe Kfz-Mechaniker-Ausbildung gemacht“, erzählt Fahrlehrer Grunwald. Das habe viele abgeschreckt.
Die Absolventenquote beträgt laut Tochtrop bei 80 bis 90 Prozent. In der fahrpraktischen Prüfung falle jedoch eine viel höhere Zahl durch. Diese Prüfung kann dann wiederholt werden. Fahrlehrer Grunwald schätzt die Quote derjenigen, die mehrere Anläufe brauchen, auf 70 Prozent. „Die Leute denken, sie werden mal eben Fahrlehrer, wie man Tauchlehrer wird“, meint der 64-jährige Fahrlehrer. Viele seien nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit dabei.
Einen weiteren Grund für den Nachwuchsmangel – der durchschnittliche Fahrlehrer ist 57 Jahre alt – sieht er in den unattraktiven Arbeitsbedingungen. „Wir arbeiten zu ungünstigen Zeiten. Der Hauptbetrieb beginnt am Nachmittag, wenn die Schulen aus sind, dann kommt der Theorieunterricht und spät abends folgen die Nachtfahrten“, zählt Grunwald auf. „Und der Verdienst ist auch nicht so umwerfend.“ Volker Freigang bestätigt, dass den Leuten heutzutage eine gute Work-Life-Balance wichtig sei: „Manche steigen deshalb aus dem Job aus, und die nervliche Belastung und der Erfolgszwang sind auch sehr groß.“
Genaue Zahlen zum Mangel an Fahrlehrern gibt es nicht. Volker Tochtrop erkennt aber eine Tendenz: „Den größten Mangel gibt es im Nutzfahrzeugbereich. Darin war die Bundeswehr früher der Ausbilder überhaupt.“ Einen Fahrlehrerschein für Bus und Lkw könne sich sonst kaum jemand leisten. „In dieser Ausbildung kommen schnell mal 70 Fahrstunden zusammen, bei Kosten von 100 Euro pro Stunde ist das ohne Förderung nicht finanzierbar.“ Ein Teilnehmer hat zu Beginn einen Anstellungsvertrag vorlegen können, sodass ihm der Schein für alle Klassen vom Arbeitsamt finanziert wird.
Der Fahrlehrerverband geht davon aus, dass die Maßnahmen in zwei bis drei Jahren spürbare Abhilfe schaffen werden.