Fall Tapie: Gericht vertagt Lagarde-Entscheidung

Paris (dpa) - Die neue IWF-Chefin Christine Lagarde muss in ihrer Heimat noch mindestens vier Wochen lang ein Ermittlungsverfahren wegen Amtsmissbrauchs fürchten. Der französische Gerichtshof der Republik vertagte am Freitag die Entscheidung über den Fall auf den 4. August.

Grund für den Aufschub sei der Ausfall eines Mitglieds des sogenannten Antragsausschusses, erklärte ein Sprecher. Eine Richterin habe zu spät erklärt, dass sie sich aus Gründen der Befangenheit zurückziehen müsse.

In dem zu prüfenden Fall geht es um eine gigantische Entschädigungszahlung aus der Staatskasse an den schillernden Geschäftsmann Bernard Tapie. Lagarde hatte sie 2008 als französische Wirtschaftsministerin ermöglicht. Ein hochrangiger Staatsanwalt verdächtigt sie nun des Amtsmissbrauchs.

„Ich bin entspannt und zuversichtlich, egal ob die Antragskommission entscheidet, die Ermittlungen fortzuführen oder nicht“, kommentierte Lagarde bereits am Mittwoch in einem Interview. Die 55-jährige Nachfolgerin des wegen versuchter Vergewaltigung angeklagten Dominique Straus-Kahn bestreitet jegliches Fehlverhalten.

Hintergrund der Entschädigungszahlung von 285 Millionen Euro plus Zinsen war der Verkauf des deutschen Sportartikelherstellers Adidas durch Tapie Anfang der 1990er Jahre. Dieser sah sich bei dem Geschäft von der damaligen Staatsbank Crédit Lyonnais geprellt und zog vor Gericht. Das jahrelange Verfahren endete 2008 mit einem Schiedsgerichtsurteil, das dem ehemaligen Eigner des Fußballvereins Olympique Marseille die riesige Entschädigungssumme zugestand.

Lagarde hätte dieses Verfahren nicht zulassen dürfen, begründete der mittlerweile pensionierte Staatsanwalt Jean-Louis Nadal die Anrufung des Gerichtshofs. Zudem habe die damalige Ministerin entgegen der Empfehlungen von Experten keinen Einspruch gegen das Urteil eingelegt.

Der Antragsausschuss des Gerichtshofes kann im August entweder die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens befürworten oder die Forderung des Staatsanwalts als unbegründet ablehnen. Als dritte Alternative könnten weitere Dokumente angefordert werden. Selbst im Fall eines Verfahrens dürften sich die Ermittlungen aber über Jahre hinziehen. Trotz Hunderter Anträge wurde seit 1993 gerade einmal über sechs Regierungsmitglieder geurteilt.

Bei dem befangenen Ausschussmitglied handelt es sich nach französischen Medienberichten um Laurence Fradin. Die vom Rechnungshof entsandte Richterin soll schon früher mit dem Fall Tapie befasst gewesen sein.

Der französische Gerichtshof der Republik ist eine 1993 eingerichtete Sonderinstanz, die sich ausschließlich mit Verbrechen oder Vergehen beschäftigt, die von Regierungsmitgliedern in Ausübung ihres Amtes begangen wurden. Über ein Ermittlungsverfahren entscheidet der sogenannte Antragsausschuss. Er besteht aus insgesamt sieben Vertretern, die vom Kassationsgerichtshof, dem Staatsrat und dem Rechnungshof bestimmt werden. Das Gericht selbst setzt sich aus drei Richtern des Kassationsgerichtshofs sowie zwölf Parlamentsvertretern zusammen.