Klage der US-Regierung Fiat Chrysler droht eigenes „Dieselgate“

Washington (dpa) - Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne ist ein Mann der klaren Worte, bekannt für derben Humor und markige Sprüche: „Wer uns mit dem deutschen Unternehmen vergleicht, hat etwas Illegales geraucht“.

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So zog der charismatische Italo-Kanadier vom Leder, als die US-Behörden seinen Konzern im Januar verdächtigten, im gleichen Stil wie der Erzrivale Volkswagen bei Abgaswerten von Dieselautos manipuliert zu haben. „Wir haben keinerlei Betrug begangen“, versicherte Marchionne. Vergeblich, wie sich jetzt zeigt.

Seit Dienstag ist klar: Marchionne und Fiat Chrysler konnten die US-Behörden trotz selbstbewusster Rhetorik nicht von ihrer Unschuld überzeugen. Das Justizministerium hat den Autoriesen im Auftrag des Umweltamts EPA wegen Verstößen gegen das Luftreinhaltegesetz verklagt. Wer wissen will, was das bedeuten kann, dem liefert der VW-Skandal Anschauungsmaterial - da las sich die Klageschrift ganz ähnlich. Das konsequente Vorgehen dürfte aber auch in Stuttgart aufhorchen lassen, denn die US-Justiz hat auch Daimler im Auge.

Bei Fiat Chrysler scheinen die US-Behörden schon ziemlich sicher, nach VW den nächsten Abgas-Sünder am Wickel zu haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass der italienisch-amerikanische Autokonzern sogenannte „Defeat Devices“ (Abschalteinrichtungen) in rund 104 000 Dieselwagen installiert hat, um bei Emissionstests zu schummeln. Durch die Software, an deren Entwicklung wie schon bei VW auch der Zulieferer Bosch beteiligt gewesen sein soll, ist die Luftverpestung im Normalbetrieb laut EPA deutlich höher als im Testmodus.

Mindestens acht dubiose Programme zur Abgaskontrolle habe Fiat Chrysler bei der Zulassung von Dieselautos der Modelljahre 2014 bis 2016 nicht offengelegt, heißt es bei der Umweltbehörde. Konkret geht es um SUV vom Typ Jeep Grand Cherokee und Pick-up-Trucks der Chrysler-Marke Ram. Das Justizministerium fordert wegen der Verletzung von US-Umweltrecht hohe Strafen und richterliche Unterlassungsanordnungen, weil die betroffenen Fahrzeuge ohne gültige Zertifizierung illegal auf den Straßen unterwegs seien.

Für Fiat Chrysler ist die Klage eine kräftige Klatsche. Noch in der vergangenen Woche hatte es aus Konzernkreisen geheißen, man sei in den Verhandlungen mit den US-Behörden auf gutem Wege. Am Freitag hatte der Autobauer sogar selbstbewusst Pläne zur Umrüstung der verdächtigen Fahrzeuge in Washington eingereicht. „Dieser Antrag ist das Ergebnis vieler Monate enger Zusammenarbeit zwischen Fiat Chrysler und der EPA“, hieß es da. Die Umweltbehörde antwortete nun auf ihre Art: mit einer Zivilklage. Der Konzern reagierte wortkarg: Man sei enttäuscht und werde sich energisch verteidigen.

Noch ist es zu früh, um abzuschätzen, ob der Fall Fiat Chrysler ähnliche Dimensionen annimmt wie Volkswagens „Dieselgate“. So teuer wie bei den Wolfsburgern dürfte es wohl schon alleine wegen der geringeren Zahl betroffener Autos nicht werden. Bei VW waren es fast 600 000 Dieselwagen in den USA. Auch zog sich der VW-Betrug über einen längeren Zeitraum hin. Einer der Gründe für die hohen Strafen - insgesamt hat VW bereits 22,6 Milliarden Euro an Kosten für Vergleiche in Nordamerika verbucht - war zudem, dass die US-Justiz den Konzern beschuldigte, die Ermittlungen behindert zu haben.

Für Fiat Chrysler lassen die US-Behörden die Tür für eine Einigung immerhin einen Spalt weit auf. Man werde weiter verhandeln, so die EPA. Ob und wann es eine Lösung geben werde, sei jedoch ungewiss. Somit deutet einiges auf ein Déjà-vu hin: Auch bei VW zogen Anschuldigungen der US-Behörden zuerst Klagen von Anwaltskanzleien im Namen von Dieselbesitzern nach sich, dann folgte die US-Regierung. Bei Fiat Chrysler sollen diese Zivilklagen nun ebenfalls bei einem US-Gericht zum Massenverfahren gebündelt werden. Strafrechtliche Ermittlungen auf Bundesebene und Untersuchungen von einzelnen Generalstaatsanwälten runden die Parallelen zur VW-Affäre ab.

Mit dem harten Durchgreifen schickt die US-Justiz indes auch eine Botschaft an die gesamte Branche: Abgas-Sündern geht es auch künftig an den Kragen. Wer auf einen Kurswechsel unter der mit laxeren Umweltgesetzen flirtenden Regierung von Donald Trump setzt, sollte sich keine falschen Hoffnungen machen. Das gilt auch für Daimler - denn vom deutschen Premiumhersteller fordern die USA nach Abgas-Sammelklagen von US-Kunden ebenfalls Aufklärung. Auch in Deutschland wird gegen den Konzern ermittelt, hier wurden am Dienstag mehrere Standorte wegen Verdachts auf Abgasbetrug von der Stuttgarter Staatsanwaltschaft durchsucht.