Frankfurt und New York schmieden weltgrößte Börse
Frankfurt/New York (dpa) - Frankfurt und New York schmieden die größte Börse der Welt. Am Dienstag beschlossen die Kontrollgremien die Fusion von Deutscher Börse und NYSE Euronext. Bis zum Jahresende soll das Geschäft unter Dach und Fach sein.
Wie die neue Mega-Börse heißen soll, ist noch unklar.
In einer gemeinsamen Pressekonferenz in Frankfurt bemühten sich die Chefs von Deutscher Börse und NYSE Euronext, Reto Francioni und Duncan Niederauer, Sorgen zu zerstreuen, einer der Finanzplätze könnte unter die Räder kommen.
Die Fusion stärke beide Partner im Wettbewerb mit alternativen Handelsplattformen, erleichtere die Erschließung des asiatischen Marktes und spare Kosten. „Wir gehen davon aus, dass wir bis zum dritten Jahr 300 Millionen Euro Kosten einsparen und 100 Millionen Euro Erlössynergien erzielen werden“, rechnete Niederauer vor. Francioni sagte: „Asien ist einer der zentralen Märkte für uns, den wir gemeinsam viel besser angehen können.“
Die Aktionäre der nach Börsenwert gewichtigeren Frankfurter Börse werden wie erwartet 60 Prozent am neuen gemeinsamen Unternehmen halten, das seinen rechtlichen Sitz in den Niederlanden findet. Die Zentralen sollen in Frankfurt und New York bleiben. Die deutsche Seite bekommt 10 der 17 Posten im Verwaltungsrat. Dafür stellen die New Yorker mit Niederauer den ersten Konzernchef. Deutsche-Börse-Chef Francioni wird Vorsitzender des Verwaltungsrats.
„Der Chef-Posten für Niederauer riecht sehr nach künftiger New Yorker Dominanz“, sagte Analyst Constantin Rohrbach von der NordLB. „Keiner wird den anderen dominieren: Europa nicht die USA, die USA nicht Europa“, stellte der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Börse, Manfred Gentz, klar. Francioni sprach von einer „Win-win-Situation für beide Unternehmen“, also Vorteile für beide Seite. Niederauer nannte den Zusammenschluss einen „historischen Schritt“: „Diese Fusion bringt uns in die führende Position bei der Innovation der Branche.“
Keine andere Börse auf der Welt bringt mehr Gewicht auf die Waagschale: Zwar ist die US-Technologiebörse Nasdaq OMX bei Aktien stark und die Chicagoer CME Group bei sogenannten Derivaten. Doch zusammengenommen zieht die deutsch-amerikanische Allianz an ihnen vorbei.
Die Partner bringen gehörigen Wert mit: Die Deutsche Börse verdiente im vergangenen Jahr 861 Millionen Dollar (rund 638 Mio Euro). Die NYSE Euronext kam auf 548 Millionen Dollar Überschuss.
Die beiden Börsenbetreiber hatten vergangene Woche Mittwoch überraschend über „fortgeschrittene Fusionsgespräche“ informiert und dabei die wichtigsten Eckpunkte festgelegt. Arbeitstitel für die Dachgesellschaft ist „The Premier Global Exchange Group“. In den nächsten Monaten will das Management einen Namen finden. „Das ist eine emotionale Frage“, sagte Niederauer. „Es wird auf jeden Fall nicht "Big Börse" sein.“ Vor allem US-Politiker pochen auf eine Betonung New Yorks als Symbol des amerikanischen Kapitalismus.
Bereits 2008 hatte die beiden Börsenbetreiber einen Anlauf zu einer Fusion genommen, waren aber gescheitert. Im Frühjahr 2009 hatte es erneut Berichte über angeblich weit fortgeschrittene Gespräche gegeben. Der zunehmende Wettbewerb zwingt die Konzerne nun zum Bündeln ihrer Kräfte. Erst in der vergangenen Woche hatten die Börsen in London und Toronto ihren Zusammenschluss angekündigt.
Aktionäre und Aufsichtsbehörden müssen der Fusion noch zustimmen. Die hessische Börsenaufsicht kündigte eine genaue Prüfung an. „Ich werde mich im weiteren Fusionsprozess jenseits der rein aufsichtsrechtlichen Prüfung für die Interessen des Finanzplatzes Frankfurt einsetzen“, ließ Hessens Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) mitteilen.
Lutz Raettig, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt und Vorsitzender des Frankfurter Börsenrates, mahnte, die Deutsche Börse müsse ihre „Vernetzung und effizienten Schnittstellen am Finanzplatz Frankfurt“ behalten. Dies müsse „glaubhaft in der neuen Unternehmenssatzung verankert“ werden.
Möglich ist, dass eine konkurrierende Börse ein Gegenangebot vorlegt und die Börsenfusion Frankfurt-New York torpediert. Am Montag und Dienstag hatten Gerüchte über eine Offerte der CME Group die Runde gemacht. Allerdings signalisierten die Chicagoer, dass sie eher auf Wachstum aus eigener Kraft setzen.