Frankreich prescht mit Finanzsteuer vor
Paris/Frankfurt (dpa) - Uneinigkeit in der EU, Frankreich handelt. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone hat eine Steuer auf Finanzgeschäfte eingeführt. Derweil richten sich alle Blicke nach Frankfurt.
Von den Währungshütern werden am Donnerstag entscheidende Signale erwartet.
Paris verlangt von Anlegern seit diesem Mittwoch die europaweit heftig diskutierte Finanztransaktionssteuer. Die Abgabe in Höhe von 0,2 Prozent wird beim Kauf zahlreicher französischer Aktien fällig. Insgesamt soll damit jährlich mehr als eine Milliarde Euro in die französischen Staatskassen fließen. Mit Spannung wird derweil die Sitzung des Rates des Europäischen Zentralbank (EZB) an diesem Donnerstag erwartet, von der wichtige Signale zur Beruhigung der Märkte ausgehen könnten. Denn die Krisenherde Spanien und Griechenland sorgen weiter für hohe Nervosität.
Die Hoffnung der Anleger ruhen auf EZB-Chef Mario Draghi, der in der vergangenen Woche gesagt hatte: „Die EZB wird im Rahmen ihres Mandats alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten.“ Er versicherte: „Und glauben Sie mir - es wird ausreichen.“ Seither sind die Erwartungen gewaltig, dass Europas Währungshüter erneut massiv am Anleihemarkt eingreifen, um kriselnden Euro-Staaten wie Spanien und Italien unter die Arme zu greifen.
Um die Kreditwirtschaft an den Kosten für die Krisenfolgen zu beteiligen, prescht Frankreich mit der Einführung der umstrittenen Steuer auf bestimmte Finanzgeschäfte vor. Seit Mittwoch muss sie dort auf Geschäfte mit Papieren von börsennotierten Unternehmen gezahlt werden, die ihren Hauptsitz in Frankreich haben. Von einer umfassenden Steuer auf Finanztransaktionen kann jedoch Kritikern zufolge keine Rede sein. Denn es gibt etliche Ausnahmen. Es werden nach Angaben aus Paris lediglich in diesem Jahr die Aktien von 109 Unternehmen von der Steuer betroffen sein.
Eine EU-weite Einführung der Steuer auf sämtliche Finanzmarktgeschäfte und -produkte gilt bislang als so gut wie ausgeschlossen. Denn die Interessenlage ist zu unterschiedlich. Manche Länder, wie Großbritannien, befürchten Schäden für ihren Finanzplatz. Mindestens neun Befürworter-Staaten wollen allerdings eine solche Abgabe im Rahmen einer „verstärkten Zusammenarbeit“ als Vorreiter einführen. Unter ihnen ist neben Frankreich auch Deutschland.
Die Einführung der Finanztransaktionssteuer war bereits im Frühjahr unter der konservativen Regierung des damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy beschlossen worden. Dessen sozialistischer Nachfolger François Hollande hat sie wie Kritiker monieren nur wenig verändert übernommen.
Eine weitere neue Steuer in Höhe von 0,01 Prozent erhebt Paris auch auf bestimmte Transaktionen im Hochgeschwindigkeitshandel an der Börse und besondere Geschäfte mit Kreditausfallversicherungen (CDS) auf EU-Staatsanleihen. Im Gegensatz zur Abgabe auf Aktiengeschäfte betrifft diese allerdings lediglich Unternehmen und Personen, die in Frankreich steuerpflichtig sind. Vollkommen steuerfrei bleibt zunächst der Kauf normaler Unternehmens- und Staatsanleihen.
In Spanien muss die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy im Kampf gegen die Krise einen Rückschlag hinnehmen. Mehrere Regionen des Landes widersetzten sich den Madrider Sparplänen. Dazu gehören auch die „Schwergewichte“ Andalusien und Katalonien, die zwei bevölkerungsreichsten Regionen Spaniens. Die Finanzen der Regionalregierungen sind - neben den maroden Banken - eines der größten Probleme in der spanischen Schuldenkrise. Die Regionen hatten im vorigen Jahr mit ihren Schulden kräftig dazu beigetragen, dass Spanien sein Defizitziel weit verfehlte.
Der andalusische Ministerpräsident José Antonio Griñán bezeichnete die Sparpläne am Mittwoch als einen „schweren Angriff“ auf seine Region. Der Sozialist kündigte rechtliche Schritte gegen das Vorhaben der konservativen Madrider Zentralregierung an. Katalonien, Spaniens wirtschaftsstärkste Region, hatte am Vortag aus Protest gegen die Sparpläne ein Treffen im Madrider Finanzministerium boykottiert.
In Griechenland stand eine Einigung der Regierungskoalition auf das dringend benötigte neue milliardenschwere Sparpaket weiter aus. Die Zeit drängt, weil Griechenland das Geld ausgeht. Die Staatskassen sind fast leer. Weil Athen bei seinen Sparverpflichtungen auch wegen der Parlamentswahlen im Frühjahr ins Hintertreffen geraten ist, blockieren die Geldgeber der Troika von EU, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) die Auszahlung weiterer Hilfsgelder.