Mit Macron-Faktor Französische Charme-Offensive: Paris umwirbt Brexit-Banker
Paris (dpa) - Wenn der französische Wirtschafts-Staatssekretär Benjamin Griveaux kommende Woche nach London reist, tritt er als Verkäufer auf. Das Ziel: Finanzgrößen der Londoner City zu überzeugen, Paris als EU-Standbein für die Zeit nach dem Brexit zu wählen.
„Diese Reise wird wie eine „road show“ organisiert, so wie ein Unternehmenschef, der seine Aktionäre trifft, um sie von seiner Strategie zu überzeugen“, sagte Griveaux der Zeitung „Le Monde“.
Frankreich hat sich mit voller Kraft ins Ringen um die Brexit-Banker geworfen - als Wettbewerber der deutschen Bankenmetropole Frankfurt. „Wir wollen, dass Paris Europas Finanz-Hub Nummer 1 nach dem Brexit wird“, verkündete Premierminister Edouard Philippe kürzlich in einer Rede. „Mit allen Mitteln“ wolle die Regierung die Attraktivität von Paris steigern - dazu sprach Philippe sogar auf französischem Boden Englisch.
Um nach dem Austritt Großbritanniens weiter in der EU arbeiten zu können, dürften Banken rechtlich selbstständige Töchter mit Sitz in einem EU-Staat brauchen. Paris und Frankfurt, aber auch Dublin, Amsterdam und Luxemburg buhlen um mögliche Stellenverlagerungen.
Als Trumpf sehen die Verantwortlichen in der französischen Hauptstadt ihren neuen wirtschaftsfreundlichen Präsidenten. Die Wahl von Emmanuel Macron habe viel dazu beigetragen, das internationale Image zu verbessern, sagte Arnaud de Bresson der Deutschen Presse-Agentur.
Er ist der Generaldelegierte von Paris Europlace, die Organisation vertritt die Interessen des Finanzplatzes. „Wir hatten bis vor einigen Monaten das Problem, dass Frankreich unter einem wenig attraktiven Image in Regulierungs- und Steuerdingen litt“, meint er.
Dabei war bereits zuvor umgesteuert worden. Schon unter Macrons Vorgänger François Hollande, der die Finanzwelt 2012 noch zu seinem Feind erklärt hatte, taten sich Sozialisten und Konservative in ungewöhnlicher Eintracht zusammen, um Paris für Finanzunternehmen aufzuhübschen.
Die neue Regierung geht in ihrem Reformkurs noch weiter: Unter anderem sind eine Absenkung der Unternehmensteuer auf den europäischen Durchschnitt und eine Abschaffung der Vermögensteuer auf Aktien angekündigt.
Schon jetzt berät eine zentrale Anlaufstelle ausländische Firmen vor einer Ansiedlung. Neue internationale Schulen sind geplant. Noch dazu wird die schnelle Zug-Verbindung nach London als Argument genannt.
Und dann ist da natürlich die Stadt selbst. „Ich glaube, Paris ist die einzige europäische Metropole, die im Hinblick auf die Dichte des bestehenden wirtschaftlichen Gefüges und die großstädtische Lebensart mit London mithalten kann“, sagte Marie-Célie Guillaume. Sie leitet die öffentliche Gesellschaft Defacto, die das große Geschäftsviertel La Défense verwaltet. Dort herrscht Optimismus: Sieben neue Bürotürme sind geplant oder bereits im Bau. „Das zeigt auch, dass die Investoren an die Zukunft von La Défense glauben.“
Mit einer humorvollen Kampagne hatte Guillaume Ende 2016 für Aufsehen gesorgt. Ihre Gesellschaft ließ in London Werbeplakate mit dem ironischen Wortspiel „Tired of the fog? Try the frogs!“ („Den Nebel satt? Versuchen Sie die Frösche!“) anbringen. Eine Anspielung auf das britische Wetter und den Spitznamen der Briten für die Franzosen.
In Deutschland sieht man jedoch Frankfurt klar im Vorteil. Für ihn sei dieses Rennen eigentlich schon gelaufen, sagte Deutsche-Bank-Chef John Cryan gerade bei einer Bankentagung. Die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) sprach der Heimat der Europäischen Zentralbank (EZB) die „Pole-Position für Brexit-Banker“ zu. Im globalen Finanzzentren-Index der Firma Z/Yen steht Paris nur auf Platz 29 - noch hinter München. Frankfurt ist die Nummer 23.
Von den großen Banken haben sich bislang die französischen Institute und HSBC für Paris ausgesprochen. Die von der Helaba zusammengeführte Liste der Ankündigungen für Frankfurt liest sich länger - wobei man in Paris aber vorrechnet, dass die Zahl der angekündigten Stellen nur wenig zurückliege und viele Entscheidungen noch nicht gefallen seien. „Die amerikanischen Banken sagen uns, dass sie noch in einer Wartestellung sind“, so Griveaux in „Le Monde“. „Sie haben noch nicht entschieden, an welchen Finanzplatz sie ihre Teams umsiedeln, solange die Bedingungen des Brexit noch nicht entschieden sind.“
Paris-Europlace-Lobbyist Arnaud de Bresson will ohnehin nicht von einem Wettbewerb zwischen Paris und Frankfurt sprechen. Aus seiner Sicht bietet der britische EU-Austritt eine Gelegenheit, das bislang von London dominierte europäische Finanzsystem „ins Gleichgewicht zu bringen, mit einer besseren Aufteilung der Aktivitäten zwischen den verschiedenen europäischen Hauptstädten“. Für ihn geht es darum, nach dem Brexit einen wettbewerbsfähigen Finanzplatz Europa zu bauen.
Klar ist aber, dass Paris sich ins Zeug legt, um seinen Teil vom Brexit-Kuchen abzugreifen. Oder, wie es eine Regionalpolitikerin sagte: den „blau-weiß-roten Teppich“ auszurollen.