Frauen und Jüngere im Schuldenstress
Erstmals seit 2007 ist die Zahl der überschuldeten Verbraucher in Deutschland wieder gestiegen.
Düsseldorf. Für die meisten Unternehmen ist die Wirtschaftskrise inzwischen abgehakt - doch viele Bürger haben noch mit den Folgen zu kämpfen: Erstmals seit 2007 ist die Zahl der überschuldeten Personen in Deutschland wieder gestiegen. 6,49 Millionen Bürger über 18 Jahre weisen "nachhaltige Zahlungsstörungen" auf - 300 000 mehr als 2009. Die Schuldnerquote liegt damit bei 9,5 Prozent. Das ist dem Schuldner-Atlas zu entnehmen, den der Verein Creditreform am Donnerstag in Düsseldorf vorlegte.
Zwei Trends haben sich zudem in diesem Jahr nach Einschätzung von Creditreform-Vorstand Helmut Rödl verstärkt: Überschuldung wird jünger - und weiblicher. So hat der Anteil männlicher Schuldner zwischen 2004 und 2010 von 68 auf 61 Prozent abgenommen, während der Anteil der Frauen in gleichem Maße anstiegen ist. Im Vergleich zu 2009 erhöhte sich die Zahl der überschuldeten Frauen sogar um 11,4 Prozent auf 2,51 Millionen.
Rödl führt diese Entwicklung auf veränderte Lebensformen und Rollenbilder zurück. In vielen Familien hätten zwar noch die Männer das Sagen beim Geld. "Der Rückgang an traditionellen Lebensformen hat jedoch dazu geführt, dass vermehrt Frauen, insbesondere Alleinerziehende, für Schulden gerade stehen müssen." Frauen stünden zudem häufiger in "prekären Beschäftigungsverhältnissen" wie Leiharbeit oder befristeten Jobs. "Da können dann auch kleine Summen die Frauen ins Schleudern bringen", so Rödl.
Besonders besorgniserregend ist für den Creditreform-Vorstand die Entwicklung bei den Personen unter 20. Allein im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Überschuldungsfälle um 54000 auf 197 000 Betroffene. Aber auch immer mehr 20- bis 29-Jährige geraten in finanzielle Schieflage: 1,385 Millionen Betroffene gibt es aktuell - das sind mehr als in der Gruppe der 50- bis 59-Jährigen (1,046 Millionen).
Neben Arbeitslosigkeit liegt Überschuldung bei den Jüngeren laut Rödl oft im falschen Umgang mit Geld begründet. Er fordert, dass Kinder schon in der Grundschule lernen müssten, mit Geld umzugehen.
Insgesamt gelte, dass der finanzielle Spielraum vieler Verbraucher weiter eingeschränkt worden sei - durch höhere Belastungen für Gesundheit, Altersvorsorge, Miete und Energie. Rödl betont aber auch, dass die Zahl der überschuldeten Verbraucher in der Krise nicht so stark angestiegen ist wie befürchtet. Ein neuer Schuldnerrekord sei vor allem durch die Kurzarbeit verhindert worden.
NRW liegt mit einer Schuldnerquote von 11,65 Prozent bundesweit auf dem elftenPlatz. Die geringsten Überschuldungsquoten weisen Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen auf. Auch in diesem Jahr habe sich gezeigt, dass Überschuldung eher in großen Städten und Ballungsgebieten als auf dem Land zu finden sei, sagt Rödl.
Wuppertal wurde von Bremerhaven als Stadt mit dem höchsten Anteil überschuldeter Menschen von der Spitze verdrängt und liegt im Negativ-Ranking nun auf Platz 2. Wuppertals Quote verbesserte sich leicht auf 17,8 Prozent. Damit kann dort aber noch immer fast jeder Fünfte seine Rechnungen nicht bezahlen.